Bochum. Soll der Vertrag von Intendant Simons am Schauspielhaus Bochum verlängert werden? Eine Bürgeranfrage ist dagegen. Was sagen die Theater-Scouts?
Eine mögliche Vertragsverlängerung des Bochumer Intendanten Johan Simons bleibt weiter in der Diskussion. Der 74-jährige Regisseur leitet das Schauspielhaus seit der Spielzeit 2018/19. Ob seine Zeit als Theaterchef an der Königsallee regulär nach fünf Jahren (also Mitte 2023) endet oder ob sein Vertrag möglicherweise verlängert werden könnte, ist derzeit komplett offen.
Während viele Theatergänger mit der Arbeit von Johan Simons und seinem Team überaus zufrieden sind und insbesondere überregionale Theaterkritiker dem Bochumer Schauspielhaus eine Rückkehr in die erste Liga deutschsprachiger Bühnen bescheinigen, mehren sich auch kritische Stimmen. So liegt dem Kulturausschuss jetzt eine Bürgeranregung vor, in der gefordert wird, Simons Vertrag keinesfalls über die fünf Jahre hinaus zu verlängern. In deutlichen Worten wird in dem Schreiben ein tiefsitzender Frust über die Arbeit des niederländischen Theaterregisseurs geäußert.
Umstrittene Inszenierungen in Bochum
Neben einigen höchst umstrittenen Inszenierungen wie „Die Philosophie im Boudoir“ und „Alle Jahre wieder“ wird in der Bürgeranregung ebenfalls kritisiert, dass sich das Schauspielhaus während des Lockdowns als sehr unbeweglich erwiesen habe und das Online-Angebot begrenzt sei. In der Tat sind andere Theater da weiter und bringen mittlerweile ganze Premieren exklusiv ins Internet – wie jüngst in Oberhausen.
Doch wie blicken die Zuschauer auf die Ära Simons, die nach zwei turbulenten Eröffnungsjahren während des Corona-Lockdowns erheblich ins Stocken geraten ist? Wir haben bei unseren Theater-Scouts nachgefragt.
Die Theater-Scouts bestehen aus einer Reihe interessierter Theatergänger, die vor allem während der Intendanzen von Anselm Weber und Olaf Kröck regelmäßig für die WAZ aktiv waren. Nach jeder Premiere haben sie kenntnisreich und pointiert kleinere Kritiken geschrieben. Manche von ihnen waren Lobeshymnen, nicht selten gingen sie mit den Aufführungen aber auch hart ins Gericht. Wie bewerten sie die aktuelle Lage? Ist ein Regie-Titan vom Schlage Johan Simons‘ ein Auslaufmodell oder führt er das Haus in eine große Zukunft?
Edgar Zimmermann:
„Johan Simons hat tolles Theater abgeliefert mit überragenden Schauspielern. Natürlich erforderte es neue Sehgewohnheiten, was für viele Besucher sicher auch eine Herausforderung war. Interessant war auch die Multikulti-Mischung von Agierenden. Etwas kurz kam das Junge Schauspielhaus – und es gab etwas viele Eigeninszenierungen des Intendanten, was möglicherweise auch der Kostenreduzierung geschuldet war. Zur Coronapause und zum Online-Angebot kann ich keine Aussage machen, da für mich Theater kein Fernsehen bedeutet.“
Hannelore Höppner:
„Meine erste Premiere unter Johan Simons war ‚Judas‘ mit Steven Scharf. Diese Stunde Theatererlebnis hat mich komplett umgehauen! So eine irre Idee, ein Solo an die Wand zu hängen. Simons ist ein Theaterschwergewicht. Bochum hat sich für ihn entschieden. Sein ‚Hamlet‘ wurde zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen. Simons fordert auf zur Diskussion. Das ist die Rolle, die Theater einnehmen sollte.“
Hermann J. Teigelkamp:
„Johan Simons ist ein Glücksfall für uns Bochumer Theatergänger. Denn seine Inszenierungen sind intelligent, szenisch inspiriert und von erstklassigen Schauspielerinnen und Schauspielern auf die Bühne gebracht. Nach langen, bescheidenen Jahren erlebe ich wieder emotional beeindruckende und intellektuell anspruchsvolle Inszenierungen, die den Ruf des Bochumer Theaters zum Leuchten bringen. Was allerdings fehlt, ist ein Angebot des Stadttheaters für Menschen, die auch die Unterhaltung lieben, die gerne mal die Leichtigkeit auf der Bühne erleben möchten. Ein Stadttheater sollte diesen Spagat hinkriegen.“
Sabine Schweinsberg:
„Seit seinem Start an der Königsallee hat Johan Simons mich mit seinen Aufführungen begeistert. Der Auftakt mit ‚Die Jüdin von Toledo‘ ist mir noch eindringlich in Erinnerung. Seine Inszenierungen von ‚Penthesilea‘ über ‚Hamlet‘ bis ‚Iwanow‘ haben künstlerische Maßstäbe gesetzt und prägen die positive überregionale Außenwirkung des Bochumer Theaters maßgeblich. Auch ‚Unterwerfung‘ von Michel Houellebecq halte ich für sehr gelungen. Ein künstlerisches Debakel war ‚Ein Fest für Mackie‘, ein gemeinsames Auftragswerk anlässlich der 100-jährigen Jubiläen der Symphoniker und des Schauspielhauses. Auch die Aufführung von ‚Die Philosophie im Boudoir‘ hat mich nicht überzeugt. ‚King Lear‘ war das letzte Stück, das ich im September von Johan Simons gesehen habe. Ich war sehr beeindruckt von der Inszenierung, der man die umfassenden Hygieneregeln im Saal und auf der Bühne gar nicht anmerkte. Stattdessen drei Stunden Spannung und starkes Schauspielertheater. Johan Simons soll bleiben.“
Info: Kulturausschuss trifft sich am Mittwoch
Der Ausschuss für Kultur und Tourismus kommt am Mittwoch, 15. März, um 15 Uhr im großen Ratsaal des Rathauses zu seiner nächsten Sitzung zusammen. Dann steht auch die Bürgeranregung zur Nichtverlängerung des Vertrages von Intendant Johan Simons auf der Tagesordnung.
Ob die Mitglieder des Ausschusses die Bürgeranregung eingehend diskutierten, ist allerdings unklar: Denn rein formal ist der Ausschuss für Fragen einer Vertragsverlängerung des Intendanten nicht zuständig. Dies bestimmt der Verwaltungsrat des Schauspielhauses, dessen Vorsitzender der Kulturdezernent Dietmar Dieckmann (SPD) ist.
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