Bochum-Griesenbruch. Seit 1957 gibt es im Griesenbruch eine kleine Trinkhalle, zuletzt stand sie leer. Jetzt wird der Ort wiederbelebt – für Kultur und Begegnung.
Die „Bude umme Ecke“ prägt das Leben im Ruhrgebiet seit Ewigkeiten. Zwischen Bömskes, Bier und belegten Brötchen sind die kleinen Trinkhallen längst auch kulturell und gesellschaftlich von Bedeutung. Die Bude ist der Treffpunkt nach Feierabend und der Retter in der Not: Hier begegnet sich sich die Nachbarschaft zum Plausch, hier erfährt man den neuesten Tratsch aus dem Viertel.
Doch die Konkurrenz schläft nicht: Riesige Supermärkte mit Öffnungszeiten bis Mitternacht laufen dem klassischen Kiosk langsam den Rang ab. Das „Büdchensterben“ greift auch in Bochum um sich, wo einige Ladenlokale leer stehen, so wie an der Ursulastraße im Griesenbruch. Doch dort gibt es Hoffnung für das kleine Büdchen, das seit einem Jahr leer steht und als „Schaubüdchen“ jetzt sein Comeback erlebt – als Raum für Literatur, Performance und Medienkunst.
Trinkhalle in Bochum wird zu neuem Leben erweckt
Auf den Weg gebracht wurde das ambitionierte Projekt von Judith Schäfer und Philipp Blömeke, die sich mit ihrer künstlerischen Arbeitsgemeinschaft „Dunkelkammer“ für die kulturelle Bespielung ungewöhnlicher Orte einsetzen. Dafür haben sie eine Landesförderung aus dem Programm „#heimatruhr“ bekommen, die es ihnen zumindest bis Ende des Jahres erlaubt, aus der ehemaligen Bude einen spannenden Kunstraum zu formen: „Danach schauen wir, wie es weitergeht“, sagt Judith Schäfer. „Ideen und Pläne gibt es genug.“
Ganz wichtig ist den beiden, an die Geschichte dieses besonderen Ortes weiter zu erinnern: „Wir wollen hier keine schicke Galerie einrichten, sondern uns ganz bewusst mit der Bedeutung der Trinkhallenkultur auseinandersetzen“, sagt Philipp Blömeke. Auf Bonbons und Bier müssen die Besucher vorerst zwar verzichten, dafür bieten Schäfer und Blömeke in ihrem winzigen Lädchen regelmäßig eine „gemischte Tüte“ aus verschiedenen künstlerischen Genres: Videoprojektionen, Hörstücke und Rauminstallationen sind ebenso geplant wie Lichtkunst und Literatur.
Künstler wollen den kleinen Raum bespielen
Dafür laden sie wechselnde Künstler ein, die mit dem kleinen, hellen Raum Spannendes vorhaben – und die Nachfrage unter den Kreativen des Ruhrgebiets ist groß: „Wir haben schon viele Anfragen“, erzählt Judith Schäfer.
Zugleich sind sich die beiden neuen Kunst-Kiosk-Betreiber ihrer gesellschaftlichen Aufgabe durchaus bewusst: „Es ist unser großer Wunsch, auch die Menschen in der Nachbarschaft mit einzubeziehen“, so Schäfer. So gibt es eine „Litfaßsäule“ für einen besseren Dialog im Stadtteil: Wer etwas auf dem Herzen hat, kann dies seinen Mitmenschen auf Zetteln mitteilen, die dann ausgehängt werden.
Besucher schauen von draußen rein
Ein Interview mit der Architektin Marie Enders, die sich seit Jahren mit der Trinkhallen-Kultur im Ruhrgebiet auseinandersetzt, kann über Kopfhörer angehört werden. Ein Fortsetzungsroman im Schaufenster wird jede Woche um eine Seite erweitert, die vorherigen Teile finden sich online.
Ab 17. März sollen die ersten Arbeiten mit Geschichten und Erinnerungen an den Start gehen. Es gibt feste Öffnungszeiten, wobei den Besuchern der Eintritt in die Trinkhalle wegen Corona derzeit verwehrt bleibt. Nur von außen durch die großen Fenster lässt sich das Geschehen verfolgen. „Wir hoffen aber sehr, dass wir die Zuschauer nach Corona auch hinein lassen dürfen“, meint Philipp Blömeke. „Etwa für Lesungen in kleinerem Rahmen ist der Raum ideal.“
Info: Besuch nur noch Voranmeldung
Das Schaubüdchen an der Ursulastraße 24 ist ab Mittwoch, 17. März 10 Uhr, geöffnet. Danach jeweils montags und dienstags von 11 bis 16 Uhr sowie donnerstags von 15 bis 19 Uhr. Dann sind auch die beiden Kuratoren Judith Schäfer und Philipp Blömeke anwesend und freuen sich über Gespräche mit Menschen aus der Nachbarschaft.
Wegen Corona ist ein Besuch derzeit allerdings nur noch vorheriger Terminvergabe möglich. Infos unter Tel. 0234 / 47 99 17 07 und info@schaubuedchen.de. Das komplette Projekt unter www.schaubuedchen.de