Bochum. Die Einschränkungen wegen des Coronavirus betreffen besonders auch Kinder und Jugendliche. Wir haben uns umgehört: Was macht das mit ihnen?
Homeschooling, die Eltern arbeiten, viele Kleinkinder haben ihren Kindergarten seit Wochen nicht mehr gesehen – und auch das Spielen mit Freunden fällt oft flach. Kinder und Jugendpsychologen warnen massiv vor den psychischen Folgen des Lockdowns bei Kindern. „Wir beobachten vermehrt Trennungsängste und Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen oder Schlafstörungen bei Kleinkindern, eine Zunahme von Schulängsten durch fehlende Kontinuität“, sagt Dr. Klaus Riedel, Sprecher der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Ostwestfalen-Lippe.
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Aber auch Jugendliche seien gefährdet. Bei ihnen gehe es vor allem um missbräuchliche Medien- und Internetnutzung und die Entwicklung von Essstörungen. Was macht die Pandemie mit den Kleinsten und Heranwachsenden in Bochum? Wir haben uns umgehört – und ganz unterschiedliche Aussagen gehört.
Louis (7)
Der Grundschüler lebt mit seiner Schwester Aylin (13) und seiner Mutter zusammen. Während die Geschwister Homeschooling machen, passt ihre Tante auf die beiden auf. Mama Christiane Vogt (36) arbeitet Vollzeit als Haushaltshilfe. Louis besucht die Brüder-Grimm-Schule. Die Förderschule stellt den Kindern immer dienstags einen neuen Wochenplan zusammen, der abgearbeitet werden soll. Doch es ist nicht nur ein Stapel Arbeitsblätter, der da dienstags ankommt. Der Tagesplan beginnt mit „Aufstehen und Frühstücken“. Auch regelmäßiges Rausgehen und Pausen sind dort erwähnt. Ab und an spielt Louis mit Freunden Lego oder Playmobil – das geht dann über Videoanrufe. Allein das Fußballtraining beim FC Bochum-Hamme vermisst der Siebenjährige. Mit dem Lockdown kommt der Junge gut zurecht. Aber: „Schule wäre auch mal wieder toll.“
Aylin (13)
Ärger mit der Schule? Das Problem hat Louis’ Schwester Aylin nicht. Sehnsucht nach Unterricht im Klassenzimmer? Nun, die ist auch nicht besonders groß. Das mag daran liegen, dass der Online-Unterricht der Gesamtschule Bochum-Mitte so gut organisiert ist, wie Mutter Christiane Vogt erzählt. Es gibt regelmäßig Anrufe der Lehrer, ob bei den Schülern auch alles in Ordnung ist. Aylin macht Leichtathletik beim VfL, das fehlt der Jugendlichen. Wenn Aylin mal Freunde sehen möchte, dann geht das per Videoanruf.
Pia (10)
Während ihre Mutter im Nebenraum als Tagesmutter das derzeit einzige Kleinkind betreut, sitzt Pia im Wohnzimmer und lernt. „Super organisiert“ sei das Homeschooling an der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Lütgendortmund hinter der Stadtgrenze. „Ich finde das gar nicht schlimm, zuhause zu lernen“, sagt Pia, die sich regelmäßig mit einem festen Freund trifft und ansonsten über Videoanrufe Kontakt hält. Mutter Verena Sakewitz (45) zeigt sich stolz. „Pia rockt das echt!
Phil (4)
Das Kindergartenkind ist ein Energiebündel. Bis 23 Uhr ist der kleine Junge manchmal wach, weint abends und bettelt, endlich wieder in den Kindergarten zu dürfen. Mutter Vanessa Ivanovs (33) kümmert sich zusätzlich um den sechsmonatigen Mats. Der war beim ersten Lockdown noch nicht auf der Welt. „Phil ist hibbeliger, trauriger, manchmal richtig aggressiv, seit er nicht mehr im Kindergarten war.“ Nicht nur Phil setzt die Situation zu, auch seine Mutter sieht sich am Ende ihrer Kräfte. Vor kurzem riss der Junge einfach aus. Der Kindergarten habe nun angeboten, den Vierjährigen schon vor nächster Woche wieder zu nehmen. „Es geht einfach nicht mehr.“
Noch viele andere Stimmen
Uns haben noch einige weitere Kinder und Eltern erzählt, dass es sie in der Pandemie momentan gar nicht gut zurechtkommen. Viele wollten allerdings nicht mit Namen genannt werden.
So erzählt eine Mutter, wie ihr 16-jähriger Sohn sich jeden Tag alleine mit den Herausforderungen des Online-Unterrichts beschäftigen muss, da sie selbst Vollzeit in einem Kindergarten arbeitet. Ihr Junge kümmert sich auch um die pflegebedürftige Oma. „Ich habe im Kindergarten so viele Kontakte, das Risiko kann ich nicht eingehen.“
Ein Vater berichtet, wie sich sein kleiner Sohn phasenweise die Welt nicht mehr versteht. Er besuche seit dem Sommer die weiterführende Schule und sehne sich nach Präsenz-Unterricht mit seinen Mitschülern, mit denen er gerade mal kurzzeitig Kontakt haben durfte.
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