Bochum. Nach dem Corona-Ausbruch in der LWL-Klinik Bochum hilft die Psychiatrie in Wattenscheid aus. Eine Betroffene weiß, wie es um die Patienten steht.
Die Notfall-Versorgung für psychisch kranke Menschen in Bochum ist trotz des Corona-Ausbruchs in der LWL-Klinik gesichert. Das betont Dr. Jürgen Höffler, Chefarzt der Psychiatrie im Martin-Luther-Krankenhaus. Bis auf Weiteres werden alle Notfall-Patienten in dem Wattenscheider Krankenhaus aufgenommen.
Seit der vergangenen Woche sieht sich die LWL-Psychiatrie dem bislang größten Corona-Ausbruch in einer Bochumer Klinik gegenüber. 42 Patienten und 43 Beschäftigte sind positiv auf Corona getestet worden. Fünf Patienten wurden in andere Krankenhäuser verlegt. Die Station für ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen wurde isoliert. Der Regelbetrieb der Tageskliniken und der Ambulanz ruht. Nur die Notfallsprechstunde (0234/507 70) läuft weiter.
Corona-Ausbruch in LWL-Klinik: Notaufnahme in Wattenscheid
Bei den Notaufnahmen springt das Martin-Luther-Krankenhaus ein. Zwar sei die Psychiatrie mit ihren 126 Behandlungsplätzen (davon 24 in der Tagesklinik) gut ausgelastet, berichtet Leiter Jürgen Höffler. In Corona-Zeiten bleibe ein Teil der Patienten den Behandlungen aus Angst vor einer Ansteckung jedoch fern. "Das gibt uns die Möglichkeiten, auszuhelfen, wenn bei Patienten in der LWL-Ambulanz eine stationäre Aufnahme notwendig wird", so Höffler. Die Vereinbarung gelte zunächst für eine Woche.
Die Psychiatrie in Wattenscheid ist von Corona-Infektionen bisher weitgehend verschont geblieben. Alle Neuaufnahmen werden getestet und bei positivem Befund isoliert. Maßnahmen, die während der Pandemie selbstverständlich auch in der LWL-Klinik greifen. Wie es dort dennoch zu dem massiven Ausbruch kommen konnte, ist Jürgen Höffler "ein Rätsel" - ebenso wie dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Klinikträger, der gegenüber der WAZ eine umfassende Ursachenforschung angekündigt hat.
Aufnahmestopp im Marien-Hospital beendet
Wie rasant sich das Virus verbreiten kann, hat Chefarzt Höffler jüngst in der Nachbarschaft erlebt. Im Marien-Hospital hatten sich Anfang Dezember 35 Patienten und 19 Mitarbeiter binnen zehn Tagen angesteckt. Auch hier wurde von den Behörden sofort ein Aufnahmestopp verhängt. Inzwischen ist das Geriatrie-Zentrum "in beschränktem Maße und unter Auflagen des Gesundheitsamtes" wieder geöffnet, teilt Jürgen Frech, Sprecher des Katholischen Klinikums, mit.
Auch das Augusta-Krankenhaus musste leidvoll erfahren, wie verheerend das Corona-Virus zuschlagen kann. 21 Mitarbeiter und Patienten staleckten sich im Sommer 2020 bei einem „Superspreader“ an. Für zwei Wochen galt an der Bergstraße ein Aufnahmestopp.
Betroffene: Krankheitsbild kann sich verschlimmern
Was derzeit in den Patienten in der LWL-Klinik vorgeht, kann Sabine Schemmann nachzollziehen. Als langjähriges Vorstandsmitglied des Bochumer Bündnisses gegen Depression und direkt Betroffene weiß die Bochumerin, dass der Corona-Ausbruch gravierende Folgen für viele Erkrankte haben kann. Gerade bei schweren Angst-Störungen könne eine bestätigte Corona-Ansteckung das Krankheitsbild nochmals deutlich verschlimmern, selbst wenn die Infektion einen harmlosen Verlauf zeigt.
Unterschiedlich seien die möglichen Reaktionen auf die Isolation einer kompletten Station zu bewerten. Sabine Schemmann: "Die einen sehen sich in ihrer Freiheit beschränkt. Auch ich fände das furchtbar. Die anderen fühlen sich damit sicherer, weil in ihrer Wahrnehmung von außen keine Gefahr mehr droht."
Behandlungsplätze werden dringend gebraucht
Gewiss ist: Die 180 Behandlungsplätze in der LWL-Klinik werden so schnell wie möglich wieder benötigt. Die Corona-Krise mache immer mehr Menschen seelisch krank, hatte der Ärztliche Direktor Prof. Georg Juckel bereits im Sommer konstatiert. Zwei Drittel der monatlich 150 bis 200 neuen Patienten, die die Klinik an der Alexandrinenstraße aufsuchen, seien durch die Pandemie in ihrer Psyche beeinträchtigt. „Das geht bis zur Androhung eines Suizids“, sagte Juckel, der aktuell als Krisenmanager gefragt ist, im Gespräch mit der WAZ.