Bochum. Die Polizeiführung in Bochum kritisiert die Anklage wegen Totschlags gegen einen Streifenbeamten. Er hatte einen Rentner erschossen.

Mit Unverständnis reagiert der Leitende Polizeidirektor in Bochum, Martin Jansen, auf die aktuelle Anklage wegen des Verdachts des Totschlags gegen einen Bochumer Polizeibeamten (37). Dieser hatte vor zwei Jahren bei einem Einsatz wegen Ruhestörung auf der Velsstraße im Bochumer Stadtteil Altenbochum einen Rentner (74) erschossen, nachdem dieser einen vermeintlichen Revolver auf ihn gerichtet und ihn trotz anderslautender Aufforderung nicht niedergelegt hatte. Drei Schüsse in unmittelbarer Abfolge in den Oberkörper, darunter ein Streifschuss, trafen den Rentner, er starb auf dem Gehweg.

Seine Waffe war nur eine Attrappe, ein Feuerzeug, wie sich herausstellte. Weil der Beamte das aber in diesen Sekunden nicht habe wissen können und deshalb subjektiv in Notwehr gehandelt habe, stellte die Staatsanwaltschaft Bochum das Verfahren ein. Dagegen legte der Anwalt der Hinterbliebenen erfolgreich Rechtsmittel ein, so dass das Oberlandesgericht Hamm nun eine Anklage wegen Totschlags erzwungen hat. Ob bzw. wann das Schwurgericht Bochum einen Prozess beginnt, ist noch unklar.

Bochumer Polizeichef: „Ich verstehe die Angehörigen nicht“

„Wenn man dem Fall überhaupt noch irgendetwas Positives abgewinnen will, dann dass man in Deutschland wirklich alles gerichtlich überprüfen lassen kann“, sagte der Leitende Polizeidirektor Martin Jansen am Montag der WAZ. „Ich verstehe die Angehörigen aber nicht und glaube, dass sie schlecht beraten werden.“

Leitender Polizeidirektor Martin Jansen, ranghöchster Polizeibeamter in Bochum nach dem Polizeipräsidenten Jörg Lukat.
Leitender Polizeidirektor Martin Jansen, ranghöchster Polizeibeamter in Bochum nach dem Polizeipräsidenten Jörg Lukat. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Den betroffenen Beamten kenne er gut, so Jansen. Er wisse, dass ihm alles ohnehin schon zu schaffen gemacht habe.

Jansen: „Was glaubt man denn, wie es sich anfühlt, mit einer vermeintlichen Waffe bedroht zu werden? Dass Polizisten auf den ersten Schlag oder Schuss warten sollten, bevor sie ihr Leben und ihre Gesundheit retten?“

„Ich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt“

Und weiter: „Ich hätte an Stelle des Beamten sehr wahrscheinlich genauso gehandelt. Wir lernen zu schießen, bis die Treffer Wirkung zeigen und überlegen in eigener Lebensgefahr nicht zwischendurch, ob der nächste Schuss jetzt noch angebracht ist. Auch das Gericht wird sicher erkennen, dass der Beamte von jeder Schuld freizusprechen ist.“

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Die gerichtliche Entscheidung dürfte auch landesweit bei der Polizei für Aufmerksamkeit gesorgt haben. „Es wäre fatal, wenn die Kolleginnen und Kollegen durch dieses Verfahren verunsichert und bei der nächsten Gelegenheit ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen“, sagt Jansen. Viele Polizisten hielten das Verfahren für „überflüssig“.

Verteidigt wird der Angeschuldigte von Rechtsanwalt Michael Emde. Zur WAZ sagte er: „Den Beamten vor Ort mutet man zu, im Bruchteil von Sekunden Entscheidungen richtig zu fällen, über die nachher Juristen nach langer Diskussion noch immer unterschiedlicher Meinung sind.“