Bochum. Wegen tödlicher Schüsse auf einen Rentner wird ein Polizist jetzt doch angeklagt. Der Anwalt erklärt, warum der Familie ein Prozess wichtig ist.

Jetzt erklärt der Anwalt der Familie des vor fast genau zwei Jahren bei einem Polizeieinsatz in Altenbochum erschossenen Rentners, warum den Hinterbliebenen ein Prozess so wichtig ist. Die Bochumer Staatsanwaltschaft hatte nun doch Anklage gegen den Schützen erhoben. Oberstaatsanwalt Paul Jansen bestätigte dies am Freitagmorgen (4.). Beim Bochumer Landgericht ist mittlerweile die bereits am 16. November erlassene Anklage wegen Totschlags gegen einen 37-jährigen Hauptkommissar eingegangen. „Jetzt hat der Angeschuldigte noch die Möglichkeit, sich dazu zu äußern“, so Richterin Katja Nagel. Erst danach entscheide das Schwurgericht, ob die Anklage zugelassen und die mündliche Hauptverhandlung möglicherweise noch in diesem Jahr eröffnet werde.

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Wie berichtet, hatte die Bochumer Staatsanwaltschaft zunächst das Verfahren eingestellt, weil der Polizist in putativer Notwehr gehandelt habe. Das bedeutet, dass der Schütze von einem lebensbedrohenden Angriff auf sich ausgehen musste. Zum Zeitpunkt seiner Schussabgabe hätte er jedoch nicht erkennen können, dass der Rentner gar keine echte Waffe auf ihn gerichtet hatte.

Polizeibeamter musste seine Waffe abgeben

Dem betroffenen Polizeibeamten wurde mit dem Eingang der Anklage auch das „Führen der Dienstgeschäfte“ untersagt. Dies bestätigte die Bochumer Polizei auf Nachfrage. Konkret bedeutet dies, dass er seine Dienstwaffe abgeben musste. Auch den Polizeiausweis sowie die Schlüssel zur Dienststelle musste der 37-jährige Hauptkommissar seiner Behörde zurückgeben.

Der Bochumer Anwalt Bastian Junghölter, der die Ehefrau und die drei erwachsenen Söhne des erschossenen Rentners vertritt, hatte Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens eingelegt. Doch die zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Hamm wies diese Beschwerde zurück. „Wir haben nun beim Oberlandesgericht Hamm über das Klageerzwingungsverfahren erreicht, dass nun doch Anklage gegen den betroffenen Polizeibeamten erhoben wird“, so Junghölter. Der Kölner Stadtanzeiger hatte zuerst berichtet.

Parallelen zum Fall des erschossenen Jägers

Der Fall erinnert an die tödlichen Schüsse auf einen Jäger, der im April 2019 auf dem Friedhof in Gerthe ums Leben gekommen ist. Damals war ein 77-jähriger Bochumer, der mit einem Jagdgewehr auf dem Friedhof in Gerthe hantierte, ebenfalls durch Polizeikugeln ums Leben gekommen.

Der Fall hatte eine Diskussion über den Einsatz der Dienst waffe ausgelöst. Ähnlich wie beim Fall von der Velsstraße hatte die Staatsanwaltschaft Bochum ihre Ermittlungen eingestellt. Auch die Beschwerde der Witwe bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm war im Sommer dieses Jahres zurückgewiesen worden.

Es geht um die wohl tödliche dritte Kugel

„Es ist für die Familie sehr, sehr wichtig, dass jetzt einige Details, vor allem, warum die wohl tödliche dritte Kugel abgefeuert wurde, in einer Hauptverhandlung geklärt werden“, so Junghölter. Zwar lebte die Ehefrau getrennt von ihrem Mann, doch sowohl sie als auch die drei erwachsenen Söhne hätten ein gutes Verhältnis miteinander gehabt.

Am Abend des 16. Dezember 2018 soll der Rentner auf der Velsstraße eine täuschend echt aussehende Revolver-Attrappe aus dem Hosenbund gezogen und auf den Polizisten gezielt haben. Der Beamte feuerte drei Schüsse ab. Der 74-Jährige starb noch auf dem Gehweg. Vergeblich hatte damals ein Notarzt versucht, das Leben des Rentners zu retten. Die vermeintliche Waffe hatte sich später als ein Feuerzeug entpuppt.

Die Nebenklage hofft nun, dass mit Hilfe der zahlreichen aktenkundigen Zeugen, die an jenem Abend die Schüsse gehört hatten, der genaue Ablauf geklärt werden kann. Im Verfahren dürfte es auch darum gehen, ob die Polizei nicht hätte wissen können, dass bei dem Mann eine psychische Erkrankung vorlag. Die Beamten waren an jenem Sonntag bereits seit dem frühen Morgen insgesamt vier Mal – unter anderem wegen Ruhestörung – zur Wohnung des 74-jährigen gerufen worden. Zweimal soll der Mann damals sogar selbst die Polizei angerufen haben.

74-Jähriger hatte mit Attrappe gezielt

Als der 74-Jährige mit einer Revolver-Attrappe auf die Polizei gezielt und diese nach Aufforderung nicht fallen gelassen habe, soll der Beamte die drei Schüsse in den Oberkörper abgegeben haben. Der Anwalt der Familie hatte nach eigenen Angaben in seiner Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss deutlich gemacht, dass nicht hinreichend auf alle Details eingegangen worden sei. „Es ergeben sich da Zweifel“, so Junghölter. Der Obduktionsbericht lege nahe, dass der Rentner nach den beiden ersten Schüssen schon in sich zusammengesunken sei, als ihn die dritte und wohl tödliche Kugel getroffen habe.

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