Bochum. Mehr als 200 Intensivbetten stehen in Bochum zur Pflege von Covid-19-Patienten bereit. Aber: Das Personal ist knapp. Es arbeitet am Anschlag.
Mehr als 1000 Bochumerinnen und Bochumer sind aktuell mit dem Coronavirus infiziert. Wegen der rasant steigenden Zahl der Betroffenen stellt sich die bange Frage: Gibt es genügend Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten? Dabei geht es vor allem um die Intensivbetten und das Pflegepersonal auf den Intensivstationen.
Die Zahl der Intensivbetten wurde vorsorglich in den vergangenen Monaten aufgestockt; nicht zuletzt in Erwartung der nun eingetretenen verschärften Infektionslage im Herbst. 228 Intensivbetten stehen in sechs Krankenhäusern zur Verfügung (Grafik), ein kleiner Teil davon nach einer Umrüstung binnen kürzester Zeit. Und: „In einem Notfallszenario“ könnten weitere Behandlungsplätze in OP-Sälen und Aufwachräumen aktiviert werden“, sagt Robin Jopp, Sprecher der Universitätsklinikums Bergmannsheil.
Fünf Prozent kommen ins Krankenhaus
Das könnte reichen. Zumal der Anteil der stationär behandelten, an Covid-19 erkrankten Bochumer deutlich zurückgegangen ist. Mitte April lag noch jeder Vierte im Krankenhaus, nämlich 36 von 128 Betroffenen. Damals wurde von ihnen sogar fast die Hälfe (17) intensivmedizinisch behandelt. Aktuell liegt der Anteil in den Kliniken bei etwa sechs Prozent (62 von 1001 Erkrankten; Stand 3. November), 20 Personen müssen intensivmedizinisch versorgt werden. Damit liegt Bochum in etwa im Bundesdurchschnitt. „Etwa fünf Prozent aller Erkrankten müssen im Krankenhaus behandelt werden“, sagt Dr. Eckhard Kampe, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe.
Der gesunkene Anteil an der Zahl der Infizierten hat auch damit zu tun, dass das Durchschnittsalter der Betroffenen niedriger ist als noch im April (55 Jahre)l; es lag vor einigen Tagen nach Auskunft der KV bei 35 Jahren. Und in der Regel verlaufe die Krankheit bei Jüngeren glimpflicher als bei Älteren. Aber: „Das Durchschnittsalter der Betroffenen steigt wieder“, so Eckhard Kampe. Und damit womöglich auch die Notwendigkeit, Betten in Kliniken – nicht zuletzt für die intensivmedizinische Pflege – vorzuhalten. Zumal: „Es müssen weiterhin auch andere schwerst verletzte und schwerst erkrankte Patienten behandelt werden“, sagt Hans-Peter Jochum, Geschäftsführer des Knappschaftskrankenhauses. Fast 130 Intensivpatienten in den sechs Bochumer Krankenhäusern mit Intensivstationen haben kein Covid-19.
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KKB fordert neuerlichen Rettungsschirm
Die Frage, ob, wie schon im Frühjahr, plan- und verschiebbare Operationen zurückgestellt werden, stellt sich längst. Auf diese Weise sollen Betten- und Personalkapazitäten frei gehalten werden. Denn: Nicht nur das knappe Intensivpflegepersonal ist stark belastet. „Die Zunahme an Covid-Fällen und Covid-Verdachtsfällen mit entsprechender Bindung von Pflegekapazitäten führt zu hohem Arbeitsaufkommen auf den Normalstationen“, so Jürgen Frech, Sprecher des Katholischen Klinikums Bochum (KKB). „Auch vor diesem Hintergrund ist es dringend erforderlich, den Rettungsschirm für die Krankenhäuser wieder zu reaktivieren. Ansonsten drohen in vielen Krankenhäusern finanzielle Schieflagen.“ Das Bergmannsheil verweist auf seinen Krisenplan. „Sollte sich das Aufkommen an Patienten weiter erhöhen, werden wir kurzfristig reagieren. Wir werden dann OP-Kapazitäten reduzieren und nicht zwingend notwendige Operationen verschieben“, sagt Sprecher Robin Jopp.
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Der größte Knackpunkt bei der Behandlung vor allem auf den Intensivstationen ist das Personal. „Die intensivmedizinische Versorgung ist sicher gestellt, gerät aber mit zunehmender Anzahl an Quarantäneauflagen, die auch für Ärzte und das Pflegepersonal gelten, unter Druck“, heißt es im Knappschaftskrankenhaus. Alle Häuser behelfen sich mit Personal, das sie bei Zeitarbeitsfirmen rekrutieren.
Stationen könnten geschlossen werden
„Im Moment bekommen wir die Versorgung sichergestellt - wissen aber auch, dass wir bei der derzeitigen Entwicklung der Infektionszahlen noch eine enorme Kraftanstrengung vor uns haben. Das bedeutet auch, dass wir teilweise Stationen werden schließen müssen, um Pflegepersonal für die Versorgung der Schwerkranken konzentrieren zu können“, so Knappschaft-Geschäftsführer Hans-Peter Jochum. Mit maximal 63 Betten hat sein Haus die zweitgrößte intensivmedizinische Kapazität in der Stadt hinter dem Bergmannsheil, das über 70 Betten zur Intensivversorgung inklusive maschineller Beatmungsmöglichkeit verfügt.
Auch dort steht zur Debatte, im Notfall Personal zu verschieben. „Sollte sich die Corona-Lage weiter verschärfen, müssten wir aus anderen Bereichen der Klinik zusätzliche Kräfte für die Pflege von Covid-19-Patienten bereitstellen“, so Sprecher Robin Jopp. Zumal die Anstrengungen der vergangenen Monate ihre Spuren hinterlassen: „Durch die seit Monaten andauernde Ausnahmesituation führen die physischen und psychischen Belastungen zu vermehrten Ausfallzeiten beim Stammpersonal“, sagt Maren Middeldorf, Sprecherin der Augusta-Krankenanstalt.
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