Bochum. Vor 76 Jahren erfolgte der schwerste Luftangriff auf Bochum. In zwei Angriffswellen kamen am Abend des 4. November ‘44 1300 Menschen ums Leben.

Es war der schlimmste Tag der jüngeren Geschichte Bochums: Am 4. November jährt sich der Luftangriff, der die Innenstadt und ihr Umfeld im Jahr 1944 fast vollständig vernichtete. Das ist 76 Jahre her, aber der Schrecken lebt bis heute fort.

Es war ein traumatischer Tag für die Menschen, die damals in Bochum lebten, und er ist es für jene, die nach ihnen kamen. Über 700 britische Bomber hatten am 4. November 1944 Kurs auf Bochum genommen und hier zwischen 19 und 20 Uhr mehr als 10.000 Sprengbomben und über 130.000 Brandbomben abgeworfen. 1.300 Menschen sind im Bombenhagel dieser Nacht umgekommen, 70.000 Menschen wurden obdachlos.

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Großes Interesse an der Vergangenheit

Als zuletzt im Stadtarchiv noch einmal der Dokumentarfilm „Bomben auf Bochum“ gezeigt wurde, da war das Archivkino sehr gut besucht; das Interesse an den authentischen Aufnahmen, die die Feuersbrünste, die verzweifelten Löschaktionen und die zerstörte Kulisse zumal der Innenstadt zeigten, war da.

Monika Wiborni, Mitarbeiterin im Stadtarchiv, weiß, warum: „Noch leben ja Menschen, die das Grauen damals mitgemacht haben“, sagt sie, „aber die Erzählungen der schrecklichen Ereignisse sind in über 70 Jahren auch an die Kinder und Enkel weitergegeben worden. Und diese Nachfahren wollen mehr erfahren über das Schicksal ihrer Mütter und Väter und Großeltern.“

Zeitzeugen werden immer weniger

Monika Wiborni weiß, wie groß das Interesse ist. Sie war 2004 Herausgeberin des Bild- und Dokumentarbandes „Bochum im Bombenkrieg“, der stark nachgefragt wurde und inzwischen vergriffen ist.

Monika Wiborni, Mitarbeiterin im Zentrum für Stadtgeschichte, hat sich intensiv mit den Bombenangriffen auf Bochum beschäftigt. 2014 gab es eine große Ausstellung zum Thema im Stadtarchiv
Monika Wiborni, Mitarbeiterin im Zentrum für Stadtgeschichte, hat sich intensiv mit den Bombenangriffen auf Bochum beschäftigt. 2014 gab es eine große Ausstellung zum Thema im Stadtarchiv © WAZ Foto Pool | Ingo Otto

Die Zeitzeugen werden weniger, je größer die Distanz zwischen dem Zweiten Weltkrieg und der Jetztzeit wird. Zeitzeugen wie Benno Ringenberg, der nicht vergessen hat, wie es war an jenem 4. November 1944. 18.40 Uhr. Es ist ein Samstagabend im sechsten Kriegsjahr, als abermals die Sirenen heulen. Luftalarm! Das Brummen der Bomber-Motoren ist schon zu hören. Ringenberg war zehn Jahre alt. In aller Eile sei er mit seiner Familie zum Luftschutz-Stollen gestürzt, der 100 Meter von ihrer Wohnung auf der Farnstraße lag.

Zwei Angriffswellen rollten über Bochum hinweg

„Zwei Meldungen aus dem Drahtfunkgerät (Radio) im Keller ließen keinen Zweifel daran, dass Bochum das Angriffsziel war“, weiß er noch. Er war 21 Meter tief und verlief entlang des Südparks (heute Rechener Park). Auf langen Bänken standen die Namen der Bewohner dieses Straßenabschnitts. „Wir saßen wie die Hühner auf der Stange“, erzählt Ringenberg. Dann brach auch schon die Hölle los. Nach einer Pause kam die zweite Angriffswelle. „Das Ganze kam uns wie eine Ewigkeit vor“, denkt der Bochumer zurück.

Brände und beißender Qualm überall

Endlich, nach einer endlos langen Stunde, trat gespenstische Ruhe ein. Von Feuer umgeben, eingenebelt von beißendem Qualm, kamen die Menschen aus dem Bunker. Ein Flammenmeer, und über Bochum war der Nachthimmel rot und hell erleuchtet.

Mahnmal „Trauernde Alte“

Am Mahnmal für die Opfer des Angriffs 1944, der „Trauernden Alten“ von Gerhard Marcks an der Pauluskirche in der Grabenstraße, wird in den Morgenstunden des 4. Novembers ein Kranz des Oberbürgermeisters Thomas Eiskirch zum Gedenken an dieses Ereignis niedergelegt.

Die „Trauernde Alte“ ist - zusammen mit dem von Ignatius Geitel gestalteten Mosaik der klagenden Mutter auf dem Hauptfriedhof - das wichtigste Denkmal zur Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs in Bochum.

Dargestellt ist eine alte Frau, die - gestützt auf ihren Stock - suchend ausblickt nach jemandem, der wahrscheinlich nie wiederkommt. Sie ist ein Sinnbild der verlorenen Trauer. Die Basaltplastik wurde am 4. November 1956 eingeweiht.

„So lebensbedrohende Ereignisse wie die Luftangriffe, und speziell der am 4.11.44., müssen sich zwangsläufig auf das Selbstgefühl und die Wahrnehmung einer Stadt auswirken“, weiß Monika Wiborni. Dazu kommt, dass die Vergangenheit längst nicht vorbei ist; einen Schlussstrich zu ziehen ist schon deshalb nicht möglich, weil die Bombardierung der deutschen Städte durch die Flugzeuge der US-Amerikaner und Briten bis in die Jetztzeit nachwirkt.

Einen Schlussstrich zu ziehen, scheint nicht möglich

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