Bochum. Die Mohr-Malerwerkstätten haben sich in 92 Jahren eine breite handwerkliche Kompetenz erarbeitet. An vielen Stellen sind ihre Spuren sichtbar.

Was haben sie nicht schon alle angestrichen, verputzt, isoliert oder restauriert. Halb Bochum ist darunter, angefangen von der Ruhr-Uni über gefühlt fast jede Kirche bis zu Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern, Villen und Tausenden von Küchen, Wohnzimmern und Fluren. Die Referenzliste der Gerhard-Mohr-Malerwerkstätten ist gleichermaßen lang wie erlesen.

Aber auch weit über die Stadtgrenzen hinaus setzt das größte Malerunternehmen der Stadt sichtbare Zeichen. Es hat die Stilfassade des „Hauses am Weststrand in Norderney“ restauriert, hat auf der Meyer-Werft in Papenburg Teile der Kreuzfahrtschiffe „Jewel of the Seas“ und „Serenade of the Seas“ angestrichen und vergoldet oder erledigt seit seinem Bau Mitte der 1930er Jahre Industrieanstriche im Chemiepark Marl-Hüls. Fast wirkt die Firma wie ein Bauchladen. „Wir machen echt viel“, sagt Firmen-Chef Christian Mohr, der das 1923 von seinem Opa Gerhard gegründete, von seinem Vater Dr. Gerd-Bernd Mohr weiter entwickelte Unternehmen nun in dritter Generation führt.

Ungewöhnliche Vielfalt

Die Vielfalt ist ungewöhnlich. „Ich kenne kein anderes Unternehmen dieser Größe, das so breit aufgestellt ist.“ Auch die Betriebsgröße ist eher unüblich, der durchschnittlich Malerbetriebe hat weniger als fünf Beschäftigte. Bei Mohr sind es mit dem Betrieb im sächsischen Mittweida mehr als 130. Wirtschaftlich sind Vielfalt und Größe nicht unbedingt immer sinnvoll. „Das macht auch gewisse Probleme. Aber es sorgt dafür, das wir von keinem einzelnen Kunden abhängig sind“, sagt Christian Mohr. Die Kehrseite sei ein großer administrativer Aufwand.

Nicht zuletzt deshalb wird bei Mohr in verschiedenen, selbstständigen Gruppen gearbeitet, die abgesehen von der eigentlichen handwerklichen Arbeit vom Schreiben der Angebote über Einsatzplanung bis zur Rechnungsstellung viele Aufgaben selbst übernehmen. Auch das hat sich im Laufe der 92-jährigen Firmengeschichte bewährt; zumal etliche Beschäftigte schon sehr lange zum Unternehmen gehören und die Teams eingespielt sind.

Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial: Lange andauernde Baustellen, so Mohr, „sind nicht unser Spezialmetier“. Bei der Arbeitsvorbereitung und der administrativen Begleitung gebe es Optimierungsbedarf. Die Spezialisierung sowie die Suche, Aus- und Weiterbildung von Arbeitskräften sind aus seiner Sicht künftig die größten Herausforderungen für das Unternehmen.

Kompetenz in der Familie

Geführt wird es im besten Sinne wie ein Familienbetrieb. Strategische Entscheidungen werden im kleinen Kreis getroffen, zumal Senior-Chef Dr. Gerd-Bernd Mohr auch mit 76 Jahren noch im Betrieb arbeitet – der Chemiepark, aber vor allem „alles was mit Restaurierungen zu tun hat“, sind sein Metier. Auch in Sachen Gestaltung und Design vertrauen die Mohrs auf Kompetenz aus den eigenen Reihen. Angelika Mohr, die Schwester des Inhabers, entwirft als Diplom-Farbdesignerin unter anderem Farbentwürfe für große Bauobjekte.

Ihre und die Findigkeit des Mohr-Mannschaft ließe sich an vielen Stellen sehen – wenn man genau hingucken kann. Die Fassade des Baltz-Umbaus in der Bochumer Innenstadt etwa ist nur zum Teil mit einem Muschelkalkstein verkleidet. „Die rechte Seite, wo ehemals Mode Fischer drin war, ist nur imitiert. Der Sandstein ist gemalt“ – von Meisterhand aus der Malerwerkstatt.

Auch am Campus-Umbau des IT-Unternehmens G Data sind die Malerwerkstätten beteiligt. Dort haben sie etwa in einer Halle, in der alte Fliesen erhalten bleiben sollten, dafür gesorgt, dass die defekten Exemplare nahezu nicht von den gut erhaltenen zu unterscheiden sind. Pure Restaurationskunst. Manchmal sind die Meister des handwerklichen Seins eben zugleich auch Meister des schönen Scheins.

Nähe, Nachbarschaft und Heimat spielen eine große Rolle 

Kindergeräusche dringen vom benachbarten Grundstück herüber ins Büro von Christian Mohr, durch die große Fensterfront blickt der Firmenchef direkt auf die angrenzende Sonnenschule. „Mich stört die Lautstärke nicht“, sagt er. „Ich bin dort selbst zur Grundschule gegangen, so wie meine Kinder jetzt auch.“

Direkt neben dem Betrieb, so wie früher, als der Junior-Chef schon mit 14 aushalf und überhaupt zwischen Farben und Pinsel aufwuchs, wohnen die Mohrs zwar nicht mehr. Aber ihr Zuhause in Weitmar ist auch jetzt kaum mehr als einen Steinwurf entfernt. Nähe, Nachbarschaft, Heimat hat immer eine große Rolle in der mittlerweile 92-jährigen Geschichte des Familienunternehmens gespielt.

© Ingo Otto / Funke Foto Services

Nicht umsonst hängt hinterm Schreibtisch von Christian Mohr ein eindrucksvolles Ölgemälde von Hänner Schlieker. Es zeigt in tiefen, satten Farben die Silhouette der Stadt in den 1960er oder 1970er Jahren – von den leuchtenden Hochöfen Stahlhausens hinweg über die halbe Stadt und viele Kirchtürme hinweg. Fast an und in jeder Kirche zwischen Wattenscheid und Langendreer, zwischen Riemke und Stiepel hat das Unternehmen schon gearbeitet.

Wer eintaucht in den verschachtelten Firmensitz an der Ecke Kohlenstraße/Weitmarer Straße, der im Laufe der Jahre immer wieder erweitert wurde, der durchschreitet im Zentrum einen im Stil der 1950er Jahre gehaltenen Flur mit Fotos besonders gelungener Arbeiten. Aufträge, die für Christian Mohr und seinen Vater Dr. Gerd-Bernd Mohr weit mehr sind als das Produkt profanen Gelderwerbs. „Das sind die schönen Sachen“, sagt Christian Mohr, der selbst einst eine Malerlehre absolvierte, seinen Meister machte und nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre Mitte der 1990er Jahre zuerst das Tochterunternehmen im sächsischen Mittweida leitete.

Firmengeschichte. Dokumentiert ist sie in einer aufwändigen, liebevoll gestalteten Chronik, die Senior- und Junior-Chef zum 90. Bestehen des Unternehmens 2013 erstellen ließen und die in eindrucksvoller Weise die vielfältige Kompetenz der Firma zeigt. Die Rückschau selbst hat schon Tradition, vor allem Gerhard Mohr hat als Kenner der Wappenkunde und Experte für Kirchenrestaurierungen große Freude daran, die Fußstapfen des eigenen Unternehmens zu dokumentieren. Zum 50. Geburtstag ist ein Buch entstanden, zum 75. „Und bis zum 100. wollten wir nicht warten“, sagt Christian Mohr.

Mein Job: Teamleiter 

Dienstältester Beschäftigter wird Volker Machholz bei den Gerhard Mohr Malerwerkstätten wohl nicht mehr. Das war Heinrich Eichenauer, der nach 75 Jahren im Betrieb in Rente ging. Immerhin. Auch Machholz ist schon seit 45 Jahren dabei – wie viele Kollegen kann er auf eine lange Betriebszugehörigkeit zurückblicken.

Volker Machholz
Volker Machholz © Ingo Otto / Funke Foto Services

1970 begann er seine Lehre zum Maler und Lackierer, war Geselle, Facharbeiter und Vorarbeiter. Mittlerweile leitet er eines der Teams im Unternehmen und ist von Personal- und Auftragsplanung über Kunden- und Baustellenbetreuung bis zur Rechnungstellung zuständig. Ein breites Spektrum mit Allround-Anforderungen, das sich auch in den Aufträgen widerspiegelt: Bodenbeschichtungen, Betonsanierungen, Malerarbeiten, Fassadenrenovierungsarbeiten und und und.

Genau das mag der 60-Jährige an seinem Job. Am liebsten beschäftigt er sich mit den Angeboten. „Kriegt man sie, kriegt man sie nicht? Wie kann ich den Kunden davon überzeugen, dass wir gute Arbeit machen?“ Für Volker Machholz hat es geradezu sportlichen Reiz, sich mit Mitwerbern zu messen.

Was er am Unternehmen schätzt? „Wir sind hier immer sehr gut geschult worden.“ Und wie tickt es? „Die Beständigkeit ist ein ganz wichtiges Merkmal. Und die Kundenpflege.“