Bochum. Die vielfältigen Facetten von Friedhöfen stehen bei einem Aktionstag am Sonntag im Fokus. Auch in Bochum haben sich ihre Gesichter gewandelt.
Trauern, Erinnern, Gräber gestalten und Gräber pflegen: Bochumer Friedhöfe werden täglich aus ganz unterschiedlichen Gründen von Bürgern unserer Stadt besucht: Auszeit vom Alltag für die einen, Arbeitsort für die anderen. Daran macht am Sonntag (20.) der Tag des Friedhofs aufmerksam.
Diesmal ist der Tag noch ein wenig spezieller als sonst, denn Anfang des Jahres ist die Friedhofskultur in Deutschland offiziell von der UNESCO zum Immateriellen Kulturerbe ernannt worden.
Immaterielles Kulturerbe seit März 2020
Mit der Verleihung des Titels „Immaterielles Kulturerbe“ im März diesen Jahres will die UNESCO bewusst machen, welchen Wert der Kulturraum Friedhof für die Menschen und die Gesellschaft hat. Er ist nämlich weit mehr als ein Ruheort für die Verstorbenen: Er ist ein Ort, an dem gelebt wird und der zu Städten ganz selbstverständlich dazugehört. Damit ist die Friedhofskultur eine tragende Säule des kulturellen Selbstverständnisses und erfüllt im öffentlichen Zusammenleben viele soziale Funktionen.
Ob auf dem Hauptfriedhof am Freigrafendamm oder auf städtischen Friedhöfen von Querenburg bis Gerthe und Werne bis Wattenscheid: Menschen halten hier inne, gehen hier spazieren: Denn Friedhöfe geben nicht nur der Erinnerung einen Ort, sondern sind gleichzeitig auch gestaltete Parkanlagen, auf denen sich so viele Denkmäler und Skulpturen finden wie sonst nirgends. Was vielleicht schnell in Vergessenheit gerät: Friedhöfe sind auch Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere.
Grabgestaltung hat sich gewandelt
Manche Menschen trauern auf Friedhöfen im Stillen, andere weinen laut oder beginnen Gespräche über den Verstorbenen: Über Generationen entstandene Trauerrituale helfen, mit dem Verlust von Menschen zurechtzukommen.
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Die Friedhofskultur ist auch ein eindrucksvoller Spiegel der Gesellschaft, der wie ein Seismograph die Veränderung unseres Lebensumfelds sichtbar macht. So wirken sich gesellschaftliche Veränderungen auch sichtbar auf die Nachfrage und Gestaltung der Gräber aus: Die Abkehr von klassischen Partner- und Familienstrukturen, die wachsende Mobilitätsanforderung der Wirtschaft, die Sehnsucht nach einem Leben in Einklang mit der Natur, der demografische Wandel, wachsende Individualisierungswünsche bis hin zu steigender Preissensibilität.
Neues Angebot für naturnahe Urnenbeisetzung
Beispiel für die Abkehr von klassischen Partner- und Familienstrukturen bietet der Friedhof Weitmar. Die erste Beisetzung im Jahr 1925 fand, wie damals üblich, im Sarg und in einer Familiengrabstätte statt. In den letzten fast 100 Jahren hat sich das Grabartenangebot auf diesem Friedhof stark ausdifferenziert und neben der Sargbestattung im Wahl- oder Reihengrab ist es mittlerweile möglich, zwischen elf verschiedenen Grabformen für die Beisetzung von Särgen und Urnen zu wählen.
Auf die Nachfrage nach Urnengräbern und pflegefreien Grabformen oder dem Wunsch nach einer naturnahen Bestattung unter Bäumen hat auch die Stadt reagiert. In Weitmar sieht man dies an dem neuen Angebot der naturnahen Urnenbeisetzung als Einzel- oder Partnergrab sowie an den Rasengräbern mit Gestaltungsoption sowohl für Erd- als auch für Urnenbestattungen.
Immer mehr Urnenbegräbnisse
Nicht zuletzt erfreuen sich auch Kolumbarien seit Jahren einer steigenden Beliebtheit. Im Jahr 2019 erfolgten bereits 84 Prozent aller Beisetzungen als Urnenbegräbnis – mit steigender Tendenz. Durch die neuen Grabarten stieg die Beisetzungszahl wieder auf ein derart stabiles und hohes Niveau an, dass zahlreiche Felder und Flächen, die eigentlich aus der Nutzung für Beisetzungen genommen werden sollten, perspektivisch wieder für den Beisetzungszweck erhalten werden können.
Auch der Friedhof Weitmar-Heinrich-König wird so in seiner Funktion als Beisetzungsort weiterhin Zeugnis der Geschichte des Stadtteiles und der Stadt Bochum geben.
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