Wattenscheid. Ein schwerer Unfall zwischen einer Straßenbahn und einem Auto hat in Wattenscheid viele Gaffer angezogen. Eine Ersthelferin schildert die Szenen.

Große Probleme mit Gaffern hatten Ersthelfer, Polizei und Feuerwehr bei dem schweren Straßenbahn-Unfall in der Wattenscheider Innenstadt am Montag. Die Polizei zeigte zwei Männer an. Ein 46-jähriger Mann aus Bochum musste sein Handy abgeben, bei einem 44-Jährigen – ebenfalls aus Bochum – wurde der Tablet-PC ebenfalls zur Sicherung von Beweisen sichergestellt.

Eine Straßenbahn der Linie 302 hatte am Montag auf der Friedrich-Ebert-Straße den wendenden BMW eines Krefelders gerammt. Die beiden Männer – 36 und 46 Jahre alt – liegen nach Angaben der Polizei auch am Dienstag noch mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus. Auch in der abrupt bremsenden Straßenbahn gab es zwei Verletzte, die über eine Fingerverletzung und eine Prellung am Oberarm klagten.

Straßenbahn rammt Auto in Wattenscheid – Gaffer übertragen Rettung live per Video

Während Feuerwehrleute die beiden kaum noch ansprechbaren eingeklemmten Männer aus dem Auto herausschneiden mussten, erlebt eine Ersthelferin verstörende Szenen mit Schaulustigen. Stefanie Heck (43) betreibt einen Kiosk direkt neben der Straßenbahn-Haltestelle, unmittelbar neben dem Unfall-Ort. Kurz vor dem Unfall habe sie telefonierend vor ihrem Laden gestanden, sei deshalb gemeinsam mit einem jungen Mann als erste vor Ort gewesen.

Stefanie Reck vor der Stelle, an der sie am Montag als Ersthelferin bei einem Unfall zwischen einem Auto und einer Straßenbahn geholfen hat.
Stefanie Reck vor der Stelle, an der sie am Montag als Ersthelferin bei einem Unfall zwischen einem Auto und einer Straßenbahn geholfen hat. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

„Wir haben versucht, den eingeklemmten Fahrer zu beruhigen. Sein Beifahrer war schon kaum noch ansprechbar“, erzählt die Kioskbesitzerin, die auch Polizei und Rettungskräfte alarmiert hatte. Schon kurz nach dem Unfall hätten sich Menschen zum Gaffen versammelt. „Keiner hat noch geholfen. Die kamen wie Ameisen aus ihren Löchern.“ Sie habe versucht, das Geschehen so gut wie möglich abzuschirmen – und trotzdem seien die Zuschauer immer dreister geworden.

Nicht die Jugendlichen filmten die Szene – es waren ältere Menschen

Trauriger Höhepunkt: „Eine ältere Frau hat extra einen Videoanruf gestartet und die Rettung live zu übertragen. Sie hat sich sogar höher hingestellt, um das Schauspiel besser sehen zu können.“ Als Stefanie Heck die Polizisten darauf aufmerksam macht, eilen sie sofort zu den Gaffern – erwischen aber statt der älteren Dame die zwei Männer, die ebenfalls mit Handy und Tablet die Szenerie festhalten.

„Das waren alles keine Jugendlichen“, sagt die Kiosk-Chefin und widerspricht damit Kommentaren aus den sozialen Netzwerken. „Die jungen Leute sind meist einfach weitergegangen. Hier waren es die älteren Menschen, die angestürmt kamen und jedes Detail wissen wollten.“

Polizei hält sich mit Angaben zu Opfern immer erst zurück – mit Grund

Auch bei der Polizei ist der Straßenbahn-Unfall in Wattenscheid besonders problematisch in Erinnerung geblieben. „Dass wir extra noch zwei Polizisten abziehen mussten, um sich um die Schaulustigen zu kümmern, geht gar nicht“, sagt Polizeisprecher Volker Schütte.

Grundsätzlich halte sich die Polizei direkt nach einem Unfall mit Fotos und genauen Angaben zu den Verletzten erst einmal zurück, damit zuerst die Angehörigen informiert werden. „Ich kenne einen Fall, da haben Angehörige eines tödlich Verunglückten ber Youtube von dem Unfall erfahren. Und wir wissen ja nicht, wo die Bilder und Videos noch so landen.“

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