Bochum. Mit dem Homeschooling darf es nach Corona nicht vorbei sein. Das fordern zwei Gymnasiasten in Bochum. Die Schulleitung gibt Rückendeckung.

Zwei Bochumer Gymnasiasten fordern die Landesregierung auf, in und nach der Corona-Krise am digitalen Unterricht festzuhalten. Die Schulleiterin gibt ihnen Rückendeckung. Unter dem Eindruck der Pandemie gelte es mehr denn je, „Schule neu zu denken“.

Leander Kahle und David van Veen streben an der Schiller-Schule das Abitur an. Den Corona-Shutdown im Frühjahr hätten sie gut gemeistert, sagen die beiden 17-Jährigen. Das Lernen daheim habe ihnen dabei ebenso genutzt wie das rollierende System, das nach den Osterferien landesweit eingeführt wurde: ein Mix aus Präsenzunterricht und Homeschooling, das es den Schulen ermöglichte, die Corona-Hygieneregeln einzuhalten.

Homeschooling in Bochum: Regelbetrieb nicht realistisch

Dabei hätte es zum Schuljahresbeginn im August bleiben können und bleiben müssen, meinen die Zwölftklässler. Stattdessen habe NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) „fahrlässig“ entschieden, zum Präsenzunterricht zurückzukehren. „Der sogenannte ,verantwortungsvolle Regelbetrieb’ ist im Schulalltag nicht realistisch. Mindestabstände sind weder in den Klassenräumen noch an den Eingängen, auf den Fluren und in den Pausen möglich“, beobachtet Leander Kahle.

Die jüngst beschlossene Wiederabschaffung der Maskenpflicht passe in dieses Bild. Folge: Der Infektionsschutz für Schüler und Lehrer und deren Familien werde grob vernachlässigt, wie auch die jüngsten Quarantäne-Fälle in Bochum zeigten.

Gymnasium ist technisch auf der Höhe

Dabei gebe es eine praxiserprobte Alternative: das Lernen auf Distanz. „In den vergangenen Monaten haben wir mit dem hybriden Unterricht sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Birte Güting, Leiterin der Schiller-Schule. Klassen und Kurse wurden geviertelt. Ergebnis: Vom Lernen in Achter- oder Neunergruppen hätten insbesondere die Schüler profitiert, „die gemeinhin zurückhaltender sind und in einem kleineren Klassenverbund besser zur Geltung kommen“.

Gleichfalls problemlos habe sich das Homeschooling entwickelt. Wer nicht in der Schule war, lernte daheim. Dazu sind die Voraussetzungen am Waldring vorbildlich. „Die gesamte Schule hat Wlan. Sämtliche Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 10 sind mit I-Pads ausgestattet, finanziert von den Eltern“, sagt Birte Güting. Weiteren Nachschub will die Stadt beisteuern: Insgesamt 6000 neue Geräte für die weiterführenden Schulen in Bochum sollen angeschafft werden, voraussichtlich aber erst 2021.

Lern-Mix soll mehr als Notlösung sein

Auch wenn es technisch vielerorts noch reichlich Nachholbedarf gibt, liegt es für Leander Kahle und David van Veen auf der Hand: Der Mix aus Lernen in der Schule und daheim darf nicht nur eine Corona-Notlösung sein, sondern muss als Option dauerhaft Bestand haben. Damit könnten Schulen nicht nur auf Corona, sondern auch auf andere Krisen, etwa eine Grippe-Epidemie oder Hitzewellen, schnell und effizient reagieren. Deutsch- und Politiklehrerin Ilona Stursberg macht einen weiteren Vorteil aus: „Das eigenständigere und freiere Lernen bereitet perfekt auf das Studium oder eine Ausbildung vor.“

Realschulleiter: Jeder dritte Schüler profitiert

Die Schiller-Schule steht mit ihrer Forderung nach einem nachhaltigen Digital-Konzept nicht allein.

Auch Walter Sembritzki, Leiter der Hans-Böckler-Realschule, glaubt, dass das Lernen daheim die Pandemie überdauern werde und müsse.

Jeder dritte Schüler profitiere vom Homeschooling. Das zweite Drittel zeige keine Leistungsänderungen. Das restliche Drittel bedürfe der Unterstützung durch die Lehrer, sagte Sembritzki, als seine Schule in der letzten Woche ans schnelle Netz angeschlossen wurde.

„Seit März wäre ausreichend Zeit gewesen, dafür die technischen Voraussetzungen zu schaffen“, meinen die beiden Jugendlichen. „Doch statt die Chance zu nutzen, fällt der Ministerin nicht Besseres ein, als alle Schüler wieder zurück in die Schulen zu schicken“, ärgert sich Leander Kahle, während sich Ilona Stursberg wünscht: „Ich hoffe, dass die Landesregierung erkennt: Wir haben uns verkalkuliert.“

Keine Antwort auf Mail an Ministerin

Wie es um das Denken in Düsseldorf bestellt ist, können die Schüler und Lehrer der Schiller-Schule nur mutmaßen. Auf eine am 24. April gesendete E-Mail an Yvonne Gebauer mit Vorschlägen zu einem verantwortungsvollen Schulunterricht in Corona-Zeiten haben Leander Kahle und David van Veen bis heute keine Antwort, „noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung“, erhalten.

Auf WAZ-Anfrage bittet das Ministerium um Verständnis. Das Schreiben sei eingegangen. Im vergangenen Schuljahr seien aber 10.000 Eingaben per E-Mail und auf dem Postweg eingetroffen. Es sei nicht möglich gewesen, alle Anfragen zeitnah und individuell zu beantworten. Inzwischen gebe es Handreichungen für Lehrer „zur Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht“.