Bochum. Eine Bochumer Physiotherapeutin ließ sich mit Fieber auf Corona testen. Dafür muss sie 152 Euro zahlen. „Ist das gerecht?“, fragt sie.

„Irgendwas läuft hier falsch“, sagt Simone Dahler. Die Physiotherapeutin wusste zwar, was sie erwartet, als sie den Briefumschlag eines Bochumer Medizinlabors öffnete. Die 152,58 Euro, die ihr für einen Corona-Abstrich in Rechnung gestellt werden, lassen die Bochumerin gleichwohl grübeln. Warum, fragt sie, werden Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die sich vorbildlich und vorsichtig verhalten, zur Kasse gebeten, während Urlauber trotz Reisewarnung kostenlos getestet werden?

Vor einem Monat wurde Simone Dahler mit Fieber und Husten wach. Die 30-Jährige arbeitet in einer Bochumer Physiotherapie-Praxis. Regelmäßig ist sie auch in Altenheimen und Krankenhäusern im Einsatz. Gerade hier kann ein Corona-Ausbruch schreckliche Folgen haben, wie sich im Frühsommer im Heinrich-König-Seniorenzentrum in Weitmar mit neun Todesfällen gezeigt hat.

Corona in Bochum: „Gerecht ist das nicht“

Simone Dahler wollte jedes Risiko ausschließen. Für sich. Für ihre Familie. Für ihre Patienten. In der Praxis ihres Hattinger Hausarztes ließ sie unverzüglich einen Corona-Abstrich vornehmen. Froh war sie, als wenig später das Ergebnis feststand: negativ. Frustriert war sie, als dieser Tage die 152-Euro-Rechnung im Briefkasten lag. „Natürlich zahlen wir das Geld“, sagt ihr Mann Andreas. „Aber gerecht ist das nicht. Wer sich gerade in einem so sensiblen Beruf korrekt verhält, wird noch bestraft.“ Und das bei zuletzt massiv steigenden Infektionszahlen.

Das sieht auch der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) mit Sitz am Bochumer Gesundheitscampus so. „Um die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland einzudämmen, müssen auch Physiotherapeuten die Möglichkeit erhalten, sich kostenlos auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen zu lassen“, erklärt die Vorstandsvorsitzende Ute Repschläger auf WAZ-Anfrage.

Ute Repschläger fordert als Vorsitzende des Bundesverbandes selbstständiger Physiotherapeuten kostenlose Corona-Tests für ihre Berufsgruppe.
Ute Repschläger fordert als Vorsitzende des Bundesverbandes selbstständiger Physiotherapeuten kostenlose Corona-Tests für ihre Berufsgruppe. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Bundesverband fordert kostenlose Tests

Physiotherapeuten seien systemrelevant und hätten täglich Kontakt zu vielen Patienten, die teilweise auch den Risikogruppen angehören. „Gerade bei Behandlungen, die in Altenheimen oder Krankenhäusern stattfinden, ist es wichtig, das Infektionsrisiko zu minimieren. Das gelingt am effektivsten durch regelmäßige Testungen auf eine Infektion und die konsequente Einhaltung von Hygienemaßnahmen“, so Ute Repschläger.

Die Stadt Bochum verweist auf die aktuell geltenden, von der Landesregierung beschlossenen Regelungen. Danach haben als Berufsgruppen die Beschäftigten an den öffentlichen und privaten Schulen sowie Mitarbeiter in Kindertageseinrichtungen und Tageseltern Anspruch auf einen vorsorglichen Corona-Test. Physiotherapeuten oder andere Heilberufe zählen nicht dazu.

Therapeuten sind systemrelevant

Dabei gehören Physiotherapeuten seit Ausbruch der Pandemie zur „kritischen Infrastruktur“, die die medizinische Versorgung aufrechterhalten soll. Zugleich meiden zahlreiche Patienten aus Angst vor einer Ansteckung die Praxen, die seit dem Frühjahr bedrohliche Umsatzverluste beklagen. Die Sicherheit sei daher oberstes Gebot, heißt es in der Branche, die nun gleichfalls auf kostenlose Corona-Tests drängt.

Bisher über 16.500 Corona-Tests in Bochum

Die Stadt Bochum meldet seit Ausbruch der Pandemie 16.598 registrierte Corona-Tests. 1021 (Stand Dienstag) waren positiv. Aktuell werden Lehrer und Kita-Mitarbeiter vorsorglich getestet.

Wer befürchtet, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben, kann sich an die städtische Corona-Hotline 0234/910 55 55 wenden: montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr, samstags von 10 bis 15 Uhr. Ist der Verdacht begründet, wird ein Test-Termin in der Drive-in-Stelle am Harpener Feld vereinbart.

Die Corona-Hotline der Hausärzte lautet 116 117.

Simone Dahler würde es begrüßen. Die Symptome, die sie vor einem Monat zum Hausarzt führten, entpuppten sich als grippaler Infekt. Inzwischen ist sie wieder gesund – und würde zum Wohl ihrer Patienten „jederzeit wieder genau so handeln“. Dann aber möglichst auf Kosten des Staates.