Bochum. Auch in der Corona-Krise arbeiten Bochumer Physiotherapeuten weiter. Verbände fordern Schutzkleidung und finanzielle Unterstützung vom Staat.
Einiges hat sich verändert in der Praxis von Marc Henkel in Bochum-Harpen. Die Patienten sitzen mit Mundschutz in dem kleinen Flur, zwischen ihnen eine Flasche Desinfektionsmittel und der Hinweis, dass alles getan wird, um die Gesundheit der Physiotherapeuten und der Patienten zu schützen. Marc Henkel hält seine Praxis geöffnet. Die Physiotherapie gehört zur kritischen Infrastruktur, sie soll die medizinische Versorgung aufrechterhalten und ist somit systemrelevant.
Therapeuten geraten aber immer mehr in ein Dilemma: „Einerseits sind Behandlungen medizinisch notwendig, andererseits stellt der Körperkontakt natürlich auch eine Gefahr der Ansteckung dar“, erklärt Marc Henkel. Seine Kollegin Ute Repschläger aus Witten pflichtet ihm bei: „Eine Frau, die gerade eine Brustkrebsbehandlung hinter sich hat, braucht zwingend sofort eine Lymphdrainage. Damit kann man nicht warten. Das gilt auch für frisch operierte Verletzungen oder Schlaganfallpatienten“, sagt sie. Es muss also eine ständige Abwägung zwischen Notwendigkeit der Behandlung und Gefahr der Ansteckung stattfinden.
Wenig Schutzkleidung vorrätig
Die Praxis zu schließen kommt für beide auch aus berufsethischen Gründen derzeit also nicht in Frage. Um die Gesundheit der Patienten, die oft aus der Risikogruppe kommen, aber weiter gewährleisten zu können, brauchen sie Schutzkleidung und Desinfektionsmittel. „Ich habe mittlerweile Mundschutze von einem befreundeten Zahnarzt bekommen. Patienten haben zusätzlich selbst welche genäht und gespendet“, sagt Marc Henkel.
Bei der Versorgung mit Schutzmaterial haben zunächst Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen Priorität. Physiotherapiepraxen fallen dabei hinten rüber. „Wir sollten genauso behandelt werden, wie die anderen Bereiche“, fordert Ute Repschläger. Die Physiotherapeutin und Heilpraktikerin ist Vorsitzende des IFK e.V. dem Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten mit Sitz in Bochum.
Finanzielle Einbußen bei Bochumer Physiotherapeuten
Neben der Schutzkleidung wird aber auch das Geld mittlerweile knapp. Bei einer Schließung auf eigene Faust, gibt es keine finanziellen Ansprüche. Schon jetzt sind die Praxen der beiden nur noch zu 30 bis 40 Prozent ausgelastet. Bei Kollegen kommen laut Henkel sogar nur noch 10 bis 20 Prozent der Patienten. „Wir erwirtschaften das Geld aber immer einen Monat vorher, das heißt gerade können wir uns noch über Wasser halten“, erklärt Marc Henkel. Jetzt kommen aber logischerweise immer weniger neue Verordnungen rein, weil auch die Ärzte vorsichtiger Rezepte schreiben.
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Henkel musste wie viele seiner Kollegen bereits Kurzarbeit für seine vier Mitarbeitenden anmelden. Zwar gab es eine Soforthilfe vom Staat, die vom Land auch schnell und unbürokratisch verteilt wurde, die reiche laut Repschläger aber gerade mal für die Miete und einige Unkosten. Sie und ihr Verband setzen sich für eine umfassende finanzielle Hilfe vom Bund ein. „Über Krankenhäusern und Ärzten wurde bereits ein Rettungsschirm aufgespannt. Wir wurden dabei bisher nicht berücksichtigt“, sagt Repschläger.
Verband fordert Ausgleichszahlungen für Physiotherapeuten
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Das sei aber nötig, um eine Pleitewelle bei insbesondere jungen Praxen ohne finanzielle Polster zu verhindern. „Die Krankenkassen sparen durch uns gerade viel Geld, weil sie einen Großteil der Behandlungen bezahlen“, weiß Ute Repschläger, „viele davon fallen ja jetzt weg.“ Das eingesparte Geld soll dann wieder den Physios zugutekommen. Sie hofft, dass die Politik einlenkt. Auch Jürgen Querbach, der Geschäftsführer des Landesverbands NRW des ZVK, eines anderen großen Berufsverbands, fordert Ausgleichszahlungen für Physiotherapeuten.
Systemrelevante Berufe
Zu den sogenannten systemrelevanten Berufen gehören neben Physiotherapeuten auch Logopäden, Podologen und Ergotherapeuten. Auch diese arbeiten derzeit unter erschwerten Bedingungen weiter.
Für einige Verwirrungen sorgten zunächst Statements der Bundes- und Landesregierung über die Rolle von Massagen: medizinische Massagen sind weiterhin erlaubt, während Wellnessmassage-Salons momentan geschlossen sind.
„Wenn die Anzahl der Therapieeinheiten weiter so schrumpft, werden einige Praxen die nächsten drei Monate nicht überstehen“, glaubt er, fügt aber hinzu: „ich denke, das ist aber mittlerweile auch in der Politik angekommen.“ Der Bochumer Physio Marc Henkel stellt derzeit auf Videotherapie um. Auch das sei eine Möglichkeit, bestehende Rezepte weiter abzurechnen. Alleine damit wird er den Wegfall aber nicht auffangen können. Er hofft auf neue Ergebnisse bis zum 19. April. „Unsere Praxis bleibt offen!“, stellt er klar. Zumindest solange er die Sicherheit seiner Patienten garantieren kann.
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