Bochum. Heftige Kritik schlägt der Bochum Marketing GmbH nach ihrer Ankündigung entgegen, Textilhändler von den Wochenmärkten zu verbannen.
Vom kommenden Jahr an werden die Wochenmärkte in Bochum zur textilfreien Zone – jedenfalls was das Warenangebot betrifft. Oberbekleidung, Kurzwaren, Unterwäsche. All das soll keinen Platz mehr finden auf den 21 Märkten. Die Reaktion darauf: Empörung und Zorn.
Für völlig falsch halten viele WAZ-Leser die Entscheidung der Bochum Marketing GmbH als Veranstalter der Märkte, den Textilhändlern vom kommenden Jahr an keine neuen Verträge mehr zu geben. Das geht aus zahlreichen Zuschriften an die Redaktion hervor.
Seit 20 Jahren auf Märkten in Bochum
Auch Händler empören sich und sind enttäuscht. So wie Tim Lienenkämper. „Es hieß, unser Vertrag wird nicht verlängert. Aber das ist doch auch nichts anderes als eine Kündigung. Ich stehe mit meinem Stand seit mehr als 20 Jahren auf Märkten in Bochum“, sagt der 43-jährige gebürtige Bochumer aus Castrop-Rauxel, der in dritter Generation einen Marktstand für Miederwaren und Unterwäsche betreibt. „Wir haben uns spezialisiert.“ Vor allem ältere Kunden kaufen bei ihm ein. „Und die sind aus allen Wolken gefallen, als wir erzählt haben, dass wir vom nächsten Jahr an nicht mehr hier stehen dürfen.“
In vielen Städten der Region steht er auf Wochenmärkten: in Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Marl und eben auch in Wattenscheid. Noch. Doch Ende des Jahres ist Schluss in Bochum. Tim Lienkämper und seine Frau Nicole wird es einen Teil ihres Umsatzes kosten. Und die Kundinnen und Kunden müssen sich neu orientieren. „Was macht denn die 70- oder 80-jährige Omma, wenn wie nicht mehr hier bei uns auf dem Markt in Wattenscheid ihre Sachen bekommt?“, fragt er. Die Auswahl an Läden im Stadtteil ist dünn, gerade in dem Preissegment, das er anbiete. Und die Fahrt nach Bochum sei mitunter beschwerlich. Kundenfreundlich sei das nicht.
Wochenmärkte leben von der Vielfalt
Ganz zu schweigen von der sozialen Komponente. „Ein Markt ist doch auch ein Ort der Begegnung und des Austausches“, sagt Lienenkämper. „Die Leute kommen doch auch hierhin, um über Gott und die Wet miteinander zu reden.“ Der Wochenmarkt lebe von der Vielfalt der Waren. Und: „Wenn der Bedarf nach unseren Artikeln bei den Kunden nicht da wäre, würde ich doch schon längst nicht mehr hier stehen.“
Das Argument von Bochum Marketing, künftig mehr auf Qualität setzen zu wollen und die Textilhändler außen vor zu lassen, kann er nicht akzeptieren. „Es gibt gute und weniger gute Händler – bei Textilien ebenso wie beim Obst, beim Käse und anderen Produkten.“ Auch habe er den Eindruck, der Veranstalter habe sich gar nicht genau über die Stände informiert, die er nun fallen lassen wolle. „Unser Wagen ist eine Sonderanfertigung für 30.000 Euro, mit eigens erstellter Werbung. Ja, wir haben auch Produkte aus China, aber ebenso welche von deutschen Markenherstellern.“ Das sei kein Ramsch. Nun setzt er darauf, dass sich Bochum Marketing vielleicht doch noch besinnt. „Ich soll eine Liste der uns vertriebenen Hersteller vorlegen“, so der 43-Jährige.
Bochum Marketing verteidigt Strategie
Denn: Bochum Marketing rudert zurück. Sprecher Christian Gerlig verteidigt zwar die Entscheidung seines Hauses: „Unser Konzept, das auch der Politik bekannt war, sah von vornherein vor, dass wir uns für einen fairen Handel einsetzen und damit Billigst-Textilien aus nicht nachvollziehbarer Herkunft ausschließen.“ Aber Händler, „die entsprechend zertifizierte Waren anbieten“, seien weiterhin willkommen. Daher sammle der Veranstalter derzeit Bewerbungen von Händlern, die bestimmte Kriterien einhalten.
Zuvor war auch Kritik aus den Reihen der Politik laut geworden. Mustafa Calikoglu, Grünen-Ratsmitglied und auch Mitglied im Aufsichtsrat von Bochum Marketing, wies darauf hin, dass die Wochenmärkte vor allem für viele ältere Menschen zu Fuß leichter erreichbar seien als die Geschäfte von Textilketten. „Der Wochenmarkt ist für sie oft die günstigste und einfachste Möglichkeit, um sich wohnortnah mit Kleidung zu versorgen.“
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