Bochum. Kaugummi-Automaten: Wo gibt es sie in Bochum, und was ist drin (außer Kaugummis)? Der „Bochumer Kinderstadtplan“ weiß Rat.

Kaugummi-Automaten gehörten wie selbstverständlich zum Straßenbild, und sie sind noch längst nicht von gestern. Viele der roten Kästen haben die Zeiten überdauert und spucken nach wie vor Süßkram und Spielzeug aus. Eine Spurensuche in Bochum.

Kundschaft auf Augenhöhe

Sie sind überall, und damit auch „nirgends“. Oder wissen Sie auf Anhieb, wo sich der nächste Kaugummi-Automat in der Nähe befindet? Gleichwohl dürfte wohl jeder schon mindestens einmal im Leben vor den meist in Feuerwehrrot lackierten Kästchen gestanden und nach einer Münze gekramt haben. Etwa an der Bushaltestelle auf der Markstraße in Weitmar-Mark. Hier hängen gleich drei Automaten nebeneinander, und warten auf Kundschaft. Also los!

Eine Batterie mit gleich drei Automaten findet sich neben der Bushaltestelle an der Markstraße. Für Abwechslung ist also gesorgt.
Eine Batterie mit gleich drei Automaten findet sich neben der Bushaltestelle an der Markstraße. Für Abwechslung ist also gesorgt. © JBS

Die robusten Stahlrahmenkästen sehen irgendwie alle gleich aus und sind doch alle immer anders. Jeder kennt sie. Sie haben durchgehend geöffnet und fressen am liebsten Taschengeld. Es gibt ein Sichtfenster, mal mit Gitterchen, mal ohne, hinter dem die Kaugummikugeln, bunt durcheinandergepurzelt, geduldig warten. Manchmal findet sich neben dem Süßzeug im Innern weiteres „Gut“, auf das man hoffen darf.

Blechring für die erste Liebe

Winzige Schlüsselanhänger, zum Beispiel. Oder eine Schleimpeitsche, die im Dunkeln leuchtet. Oder – Klassiker! – der Blechring mit „Edelstein“, mit denen die Jungs schon in den 1960er Jahren die Mädchen aus der Nachbarschaft beglückten.

Die 50er und 60er Jahre waren die große Zeit der Automaten, die nach dem Krieg aus den USA nach Deutschland gelangten. Damals spielten die „Blagen“ noch alle „auffe Straße“, entsprechend war viel Kundschaft unterwegs, die von den Kuller-Kästen fasziniert wurde. Einen „Tacken“ – also ein 10-Pfennig-Stück – einzuwerfen war ebenso geboten, wie manchmal einen „Fuchs“ – eine 50-Pfennig-Münze – zu investieren. Etwa, wenn neben Kaugummi Gimmicks wie Flummis oder Monsterköpfe lockten.

Immer weniger Kinder spielen draußen

Inzwischen hat wegen Kitas und Ganztagsbetreuung nicht nur die Zahl der draußen spielenden Kinder abgenommen, sondern auch die der Automaten. Etwa 30 Kaugummi-Kästen hat Patrick Lambertus abgeklappert, um sie für die Homepage „Bochum für Kinder“ abzulichten (siehe Info-Kasten).

Bochumer Kinderstadtplan

Einen Überblick über Kaugummi-Automaten in Bochum gibt die Homepage Bochum-für-Kinder.de. Betreut wird sie von der Bochumer Agentur Pixelhaus.

Die Website listet unzählige Angebote für Kinder auf, egal ob Spielplätze, Ausflugsziele, Bolzplätze, Kioske/Buden, Bootsverleihe, Trampelpfade, Spielwarengeschäfte – oder eben Kaugummi-Automaten.

Rund 30 Automaten werden mit Fotos gelistet, die man jeweils anklicken und bewerten bzw. kommentieren kann. Auch kann man Automaten hinzufügen bzw. weitere Stellplätze angegeben.

Bochum mal mit Kinderaugen sehen – das ist die Absicht der Homepage. „Kinder haben einen eigenen Blickwinkel auf ihre Stadt Bochum, deshalb haben wir diesen Stadtplan entwickelt“, so Pixelhaus-Geschäftsführer Patrick Lambertus.

Der Kinderstadtplan kann und soll durch Einträge und Tipps für Kinder und von Kindern kontinuierlich erweitert und ergänzt werden.

Wie viele Automaten in Bochum an Häuserwänden und Gestellen hängen, weiß niemand. Bundesweit sollen es zwischen 400.000 und 600.000 sein, hat Paul Brühl vom Verband der Automaten-Fachaufsteller mit Sitz in Langenfeld hochgerechnet.

Fürs Aufstellen ist das Bauordnungsamt zuständig

„Es waren in früheren Jahren sicher um die 800.000“, sagt Brühl, „der Rückgang hat viele Gründe“. Eben den, dass heute weniger Kinder als ehedem draußen unterwegs sind. Aber auch, dass viele Städte das Aufstellen von Kaugummi-Kästen entweder verbieten – als Gründen der „Stadtbildpflege“ – oder die Gebühr so anheben, dass niemand sie mehr bezahlen will. „Hier wird von Seiten der Städte nur auf den Gewinn geschielt“, sagt Brühl. In Bochum ist übrigens ein „Kaugummi-Automaten-Aufstellungsverbot“ nicht bekannt, sprich: Wer einen neuen installieren möchte, kann einen Antrag beim Bauordnungsamt stellen.

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Paul Brühl ist sicher, dass ein ungebrochenes Interesse seitens der Zielgruppe an den Automaten besteht. Sicher sind es in erster Linie (kleine) Kinder, die hier zupacken – und mit jedem Dreh unbewusst ihre ersten Kaufgeschäfte tätigen. Warum sonst werden die Automaten auch auf einer Höhe von gerade mal 80 Zentimetern aufgestellt? Nicht zu unterschätzen sind aber auch die erwachsenen Kunden. „Kaugummi-Automaten wecken bei sehr Vielen nostalgische Gefühle“, weiß Brühl.

Unvergleichlich beim Blasen-Platzen-Lassen

Kein Wunder, werden damit doch ganz frühe Erinnerungen wach: Das Prockeln am Geldschlitz beim Einwerfen der Münze, das typische Knarzen der Mechanik beim Drehen des Ausgaberades, das einzigartige „Klack!“, wenn die Kaugummikugel in den Ausgabeschacht fällt. Nicht zuletzt ist es die „Spannung“ beim Anheben des Verschlussdeckels: Was außer den runden „Beißerchen“ wohl noch mitgekommen ist? Ein Ring? Ein Würfelchen? Eine bunte Ventilkappe fürs Fahrrad?

Natürlich sind auch die Kaugummi-Kugeln selbst unvergesslich. Erst schmecken sie lecker nach Zucker, dann wird die Kaumasse schlaff, und am Ende schmeckt sie nach gar nichts mehr. Aber fürs Blasen-Platzen-Lassen (knall!) sind die Automaten-Kugeln unübertroffen.

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Wer die Automaten aufstellt und wartet, ist klar: Automaten-Aufsteller wie die Firma Rummel aus Bochum. Sie zu packen, ist nicht einfach. Tagelang geht niemand ans Telefon, im Internet ist auch nichts zu finden. Patrick Lambertus hat bei seiner Recherche für „Bochum für Kinder“ Ähnliches erfahren: „An Infos zu kommen, wer die Kästen wann beschickt und wie sie gewartet werden, war ganz schwierig“, sagt er.

Ein hartes Geschäft, das wenig abwirft

Paul Brühl vom Automatenaufsteller-Verband weiß, warum: „Die aufstellenden Firmen sind meist Kleinstbetriebe“, sagt er. Damit sich das Geschäft überhaupt rechnet, müssten 1000 bis 2000 Automaten im Bestand sein. „Die abzufahren, zu befüllen, zu warten, sauber zu halten: das ist ein zeitaufwendiger Job“, sagt er.

Und dazu einer, für den man Herzblut mitbringen muss. Je nach Standort und damit nach Frequenz wirft so ein Kaugummi-Automat 20 bis 200 Euro ab – im Jahr!

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