Essen. . Die Städte haben den Kampf gegen die Kaugummiplage auf dem Citypflaster fast schon aufgegeben. Jetzt kommt ein Tüftler mit einer neuen Idee.

Kurz Luft geholt und ausgespuckt, schon hat das Kaugummi den Mund verlassen und liegt auf dem Asphalt. Tritt sich fest. Genau wie die anderen, die so entsorgt wurden. Bis zu 90 Stück sind es laut einer Studie pro Quadratmeter. So viele, dass die meisten Städte im Ruhrgebiet den Kampf gegen den Fleckenteppich längst aufgegeben haben. Ein Essener Tüftler hat jetzt eine neue Idee entwickelt, um der Gummi-Verschmutzung Herr zu werden. Die Industrie aber zeigt bisher recht wenig Interesse daran.

Nichts fürs herkömmliche Kehren

In Bochum heißen sie Top Cleaner, in Duisburg werden sie Laser Gums genannt. So unterschiedlich die Namen sind, ihre Aufgabe ist die gleiche. Mit heißem Dampf und rotierenden Bürsten beseitigen die Maschinen Kaugummiplacken. Denn ist die synthetische, anfangs leicht verformbare Masse erst einmal getrocknet, können herkömmliche Kehrmaschinen sie nicht mehr vom Asphalt lösen. Doch selbst mit den Spezialmaschinen bleibt es ein schwieriges Geschäft. Und eine Sisyphosarbeit. „Nach zwei Monaten können wir von vorne anfangen“, weiß Jörn Denhard vom Umweltservice Bochum.

In vielen anderen Revierstädten wird deshalb schon gar nicht mehr gereinigt. „Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis“, sagt etwa Petra Hartmann, Sprecherin der Entsorgung Dortmund (EDG). Die Entfernung eines einzelnen Placken kostet bis zu drei Euro. Auch in Gelsenkirchen werden die Kaugummis nicht mehr vom Asphalt gekratzt. Dafür hat man im vergangenen Jahr so genannte Gum Walls aufgestellt – Metallboxen mit vielen Smileys, die gerade junge Menschen ermutigen sollen, ihr Kaugummi lieber auf die lustigen Gesichter zu drücken, anstatt es einfach auszuspucken. Auch in Duisburg gibt es die Kaugummi-Wände mittlerweile. Kaugummi auf dem Boden gibt es in beiden Städten dennoch.

Problembewusstsein wecken

„Wir haben auch gar nicht erwartet, die Innenstadt dadurch kaugummifrei zu bekommen“, so Tobias Heyne, Sprecher der Gelsendienste. Es sei darum gegangen, für Aufmerksamkeit zu sorgen und das Problembewusstsein zu wecken.

Zwar gibt es fast überall Strafen für das Ausspucken von Kaugummis, die im Ruhrgebiet im Schnitt bei 35 Euro liegen. Aber wo kein Kläger, da kein Knöllchen. Man müsse, heißt es etwa bei der Stadt Essen, die Spucker ja „in flagranti“ erwischen. „Das passiert so gut wie nie“, sagt eine Stadtsprecherin. Dieter Birkenhauer hat das auch nicht anders erwartet. „Wir sind“, sagt der Tüftler aus Essen, „ja zum Glück nicht in Singapur“ – wo Polizisten die Sauberkeit der Bürgersteige überwachen und es Kaugummi nur noch auf Rezept gibt.

„Clean Solution“ soll das Problem lösen

Also haben Birkenhauer (80), der bis zu seiner Pensionierung Geschäftsführer bei diversen Stahlfirmen war, und sein Schweizer Freund und Geschäftspartner Hans Schäfer (68) sich hingesetzt und überlegt, wie sich das Problem lösen lässt, das die beiden „schon lange ärgert“. Herausgekommen ist „Clean Solution“, ein neuartiger Blister, also eine Verpackung, aus der man die Kaugummis einzeln herausdrückt. Blister gibt es grundsätzlich schon seit vielen Jahren, doch Birkenhauers Version bietet – vereinfacht gesagt – auch eine Möglichkeit, das gekaute Kaugummi wieder aufzunehmen und zu verschließen, bis man zu einem Papierkorb kommt, wo man es endgültig entsorgen kann.

Industrie lehnt neue Verpackung ab

Pläne haben sie gezeichnet, haben Prototypen bauen lassen und sind damit zu den Kaugummi-Produzenten gefahren. Die fanden die Idee grundsätzlich gut, wollen aber nicht umsteigen auf die neuen Blister. Denn auch wenn die Umstellung laut Birkenhauer „technisch keinen großen Aufwand bedeutet“, kostet die veränderte Verpackung am Ende etwas mehr. „Und das wollen die Hersteller nicht investieren“, erklärt der Erfinder. Zwar gibt es – zuletzt vor einem Jahr in Wesel – immer wieder Politiker, die eine „Kaugummisteuer“ fordern. Bisher aber ist eine solche Forderung in Deutschland nirgendwo umgesetzt worden. „Es wird“, ahnt Birkenhauer, „wohl noch dauern, bis sich das Problem lösen lässt.“