Bochum. Erstklässler der Michael-Ende-Grundschule feiern Einschulung unter besonderen Bedingungen. Viele Eltern bedauern die Umstände.
Vieles ist wie immer: Kinder in hübschen Kleidchen und Hemdchen, riesengroße bunte Schultüten, neue Tornister und ganz viel Aufregung. Und doch lässt sich auf den ersten Blick erkennen, dass dies keine normale Einschulung ist: Mit ihrer Meerjungfrauen-Schultüte steht Emilia Brodde (6) in einem gesprühten Kreis auf dem Schulhof der Michael-Ende-Grundschule in Langendreer. Mit darin: Ihre Eltern Sarah und Rafael Brodde, alle drei tragen eine Maske. „Die Maske ist warm und stört im Gesicht“, sagt Emilia und zupft sie zurecht. „Ich bin auch ein bisschen aufgeregt“, gibt die Sechsjährige zu. „Aber ich freue mich am meisten auf das Lesen lernen.“
Mutter Brodde ist natürlich mächtig stolz auf ihre Tochter, hätte sich aber dennoch andere Umstände für die Einschulungsfeier gewünscht. Sich in ein paar Jahren über einen so außergewöhnlichen ersten Schultag freuen? „Das glaube ich nicht“, sagt Brodde. Es sei wirklich schade, dass die Kinder nur zwei Begleitpersonen mit zur Einschulung bringen dürften, denn Oma und Tante wären gerne mitgekommen. Eineinhalb Meter weiter fiebert Emilias künftiger Klassenkamerad Thijs (6) der ersten Unterrichtsstunde entgegen. In seinem Sprühkreis herrscht ein ähnlicher Tenor: „Die Abschlussfeier im Kindergarten war schon so eingeschränkt, das ist wirklich schade“, sagt Thijs Vater Claas Peschel. Und auch Mutter Stefanie Theissen meint: „Leider ist die Stimmung gedrückt.“
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Schulfotos ohne Maske
Die I-Männchen scheint das besondere Prozedere jedoch weniger zu stören als ihre Eltern: „Ich bin schon seit Wochen voller Vorfreude“, sagt Thijs. Er wünsche sich, neue Freunde in der Schule zu finden, wisse aber noch gar nicht genau, was ihn alles erwarte. Als die vierte Klasse zur Begrüßung der neuen Schüler einen Bewegungstanz aufführt, erklärt Schulleiterin Bianca Beyer: „Das ist meine fünfte Einschulung, aber diesmal ist die Stimmung wirklich ganz anders.“ Zur Masken- und Abstandspflicht komme hinzu, dass die Einführungen der drei neuen Klassen im Schichtsystem an zwei Standorten (Oberstraße und Somborner Straße) stattfänden, um Ansammlungen zu vermeiden. Außerdem dürften Vorführungen nicht jahrgangsgemischt, sondern nur im Klassenverbund erfolgen.
2900 Erstklässer starten in neuen Lebensabschnitt
Derzeit besuchen fast 11.000 Kinder eine der über 40 Grundschulen in Bochum. Die Zahl der Grundschüler steigt kontinuierlich an. Rund 2900 Erstklässler starten jetzt ins neue Schuljahr.
Die Schüler müssen auf dem gesamten Schulgelände eine Maske tragen. In den Räumen darf sie abgenommen werden, wenn alle Kinder zum Lernen, Spielen, Essen auf ihrem Platz sitzen.
Auch wenn es fehlt - das Wuseln freispielender Kinder, der volle Schulhof, die blitzenden Kameras der Verwandten – Beyer will dennoch das Positive sehen: „Es wäre schlimmer, wenn gar keine Feier hätte stattfinden können. Wir wollen den Kindern trotzdem einen tollen ersten Schultag bereiten“, sagt sie.
Ein Einschulungsfoto ohne Maske – das ist zumindest möglich. Dabei hätte Willi (5) sogar eine Stoffmaske im passenden Grün zu seiner Fußballschultüte aufgehabt. „Was drin ist, weiß ich aber noch nicht“, sagt er und schlinzt auf die Filzborte. Geduldig steht er in der Schlange für maskenfreie Fotos an, die die Schulsozialarbeiterin vor dem Schuleingang schießt. Pfarrer Jörg-Martin Höner von der Evangelischen Kirchengemeinde Langendreer verteilt außerdem einen kleinen Segen, ehe die Kleinen sich ganz allein ins Schulgebäude begeben.
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„Wir haben auch Fotos mit Maske gemacht, zur Erinnerung an diese Zeit“, sagt Vater Thomas Eichel. Vielleicht sei man in ein paar Jahren stolz, so eine außergewöhnliche Einschulung gehabt zu haben, nun bedauere er die Bedingungen aber. „Der kleine Bruder Theo durfte leider nicht mitkommen, später werden wir mit der Familie feiern“, sagt Christine Eichel.
Großeltern hinter dem Zaun
Denn die Familie gehört für alle Schulkinder zu ihrem großen Tag dazu. Manche Angehörige verfolgen die Einschulung deshalb kurzerhand vom Rande des Schulhofes. Die Großeltern Christian und Dagmar Koschollek haben sich direkt hinter dem Zaun positioniert. „Ein bisschen fühlen wir uns hier ausgesperrt“, sagen die Beiden. „Ich kann nicht verstehen, warum es kein Problem ist, Urlaub zu machen, aber Großeltern nicht bei der Einschulung dabei sein dürfen“, ärgert sich Großvater Koschollek. Einen typischen Rat wird er seiner Enkelin dann erst vielleicht nach der Einschulung geben können: Dass jetzt der Ernst des Lebens beginnt.
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