Dortmund. Rund 162.000 Kinder erleben am Donnerstag in NRW ihren ersten Schultag. Für sie gelten alle Einschränkungen. „Schön wäre natürlich Oma, Opa.“

Die Löwen bitte geradeaus, die Schnecken so halblinks. Lars und Chahrazad, Mohamed und Giuliana und wie die 52 Schnecken und Löwen alle heißen, haben gerade die Pulte auf dem Schulhof passiert, wo Lehrerinnen ihre Personalien checken. Und nun platzieren sie sich links und rechts eines rot-weißen Flatterbandes, das den Hof teilt. An diesem Donnerstagmorgen werden die Kinder zu der neuen Löwenklasse und der neuen Schneckenklasse der Petri-Grundschule in Dortmund. Langweiler sagen auch: 1a und 1b. Ein besonderer Tag ist es trotzdem. Ein ganz besonderer Tag durch Corona.

Rund 162.000 Mädchen und Jungen sind am Donnerstag in Nordrhein-Westfalen eingeschult worden. An zwei Grundschulen, in Essen und in Viersen, fiel die Feier wegen jeweils einer coronainfizierten Lehrkraft aus. Sie wird natürlich nachgeholt. Auch für alle anderen galten sehr spezielle Bedingungen. Wie speziell, das können freilich nur Eltern, Lehrer und große Geschwister ermessen: Für die i-Dötzchen ist es ja die einzige Einschulung ihres Lebens. Und die ist dann halt so.

Schulbänke nach draußen getragen, Flatterband über den Hof gespannt

Alles anders: Moritz an seinem ersten Schultag in der 1b.
Alles anders: Moritz an seinem ersten Schultag in der 1b. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Das ist schon seltsam, aber die Kinder sollen natürlich trotzdem eine schöne Einschulung haben“, sagt Juan Carlos Böck, der Schulleiter der Petrischule. Die größten Schwierigkeiten in vergangenen Jahren waren: dass man mal einem Kind hinterhertelefonieren musste. Dass es ausblieb (aber irgendwann natürlich dann doch kam). Oder dass ein Wolkenbruch erzwang, den Gottesdienst von draußen in die Turnhalle zu verlegen.

Kleinkram aus der Sicht des Seuchenjahres 2020. Gerade hat Böck das Flatterband spannen und Schulbänke nach draußen tragen lassen, die Vorbereitung geht in diesen letzten Minuten vom Hundertsten ins Tausendste: „Sabine, machst du gleich schon die Becher mit der Apfelschorle voll, damit die Kinder nur noch die Becher nehmen müssen?“

„In gewisser Weise ist man ja schon froh, überhaupt dabeisein zu dürfen“

Coronaschutzverordnung trifft auf Lebensfreude, Nachverfolgungsnamensliste auf Aufgeregtheit. Kleine Menschen mit riesigen Ranzen sitzen nun auf den Bänken auf dem Schulhof, die Eltern stehen in weitem Rund dahinter. Maskiert sind ausnahmslos alle, auf Moritz’ Maske steht „Einschulung 2020“ – das Abschiedsgeschenk des Kindergartens für alle Sechsjährigen, die jetzt zu den Großen werden. „Wer ist aufgeregt?“, fragt Böck in seiner kurzen Ansprache, und bei den Kindern gehen fast alle Hände hoch. Die Eltern versuchen, neutral zu gucken.

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„Ich bin traurig“, sagt eine Mutter im Gespräch: „Mein Vater wäre gerne mitgekommen und andere auch, das ist schade.“ Eine andere sieht das genauso: „Schön wäre natürlich Oma, Opa, das muss man jetzt zuhause machen.“ Ein Vater meint: „Man darf auch nicht immer nur meckern. Man muss alles nehmen, wie es kommt.“ Ulrike Laube sagt: „In gewisser Weise ist man ja schon froh, überhaupt dabei sein zu dürfen.“ Heute morgen hat sie noch im Radio gehört von anderen Grundschulen in NRW, wo aus Platzmangel nur Mutter oder Vater mitkommen durfte. Hier in Dortmund gilt: Eltern, Geschwister und – Schluss.

Der Petri-Corona-Tanz hält die Kinder auf Abstand

Eltern halten die Einschulung ihrer Kinder fest.
Eltern halten die Einschulung ihrer Kinder fest. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Sie wollen Fotos machen? Fünf Schilder „Mein 1. Schultag“ hängen an dem Bäumen auf dem Schulhof, damit die Leute sich nicht an einer Stelle ballen. Die Eltern dürfen nicht mit ins Gebäude? Also wird ein Bild der Klassenräume nachher auf der Homepage der Schule stehen.

Freiwillige aus den vierten Klassen tanzen für die Kleinen den Petri-Corona-Tanz, eine Choreographie, begeistert einstudiert vor den Sommerferien und ein natürlicher Abstandhalter. Viele andere Große drücken sich innen an den Scheiben ihrer Klassen die Nasen platt, gucken aus dem ersten Stock auf die Neuen runter und fragen sich, was da jetzt auf sie zukommt.

Die erste Hausaufgabe: Was ist eigentlich in der Schultüte?

48 Stufen noch bis zum Ernst des Lebens. Lehrer führen die Löwen und die Schnecken zu ihren Klassenräumen, eine zweite Kraft ist noch dabei für den Fall, das jemand zur Toilette muss. „Willkommen“ und „Liebe“ steht auf der Tafel der 1b, und die erste Aufgabe der Kinder ist, ihre Namensschilder an den Plätzen zu finden und sich dorthin zu setzen. Klappt. „Philip“, „Lara“, „Hamsa“, „Frau Wuttke“ – ja, klappt.

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Nach der kurzen Freiluftfeier und der einen Schulstunde ist der erste Schultag dann auch schon zu Ende. Ein Kind freut sich auf seine erste, aber auch naheliegende Hausaufgabe: herauszufinden, was in der Schultüte ist. Und andere sind, statt mit Mama und Papa schon wieder nach Hause zu fahren, auf dem Klettergerüst zugange. Lebensfreude siegt.