Hiltrop. Jetzt wird der Kanalbau im Bochumer Dorf Hiltrop richtig sichtbar: Ein schweres Bohrgerät schafft die Baugrube für den unterirdischen Vortrieb.
Schon am Vormittag flirrt die Luft an der Großbaustelle in Hiltrop-Dorf. Schutzhelme und schwere Arbeitsschuhe sind dennoch Pflicht für die Bauarbeiter. Gegenüber der Einmündung zur Frauenlobstraße erhebt sich das mächtige Bohrgerät, 100 Tonnen schwer und gut 20 Meter hoch, es ragt noch über das Dach des angrenzenden Hauses. Damit wird die Grube für den unterirdischen Vortrieb geschaffen.
Zwei Monate dauerten die Vorbereitungen auf den Kanalbau in Hiltrop, und bis auf Straßensperrungen war eigentlich nicht viel zu sehen. Doch Nun aber sehen Anwohner und Autofahrer: Jetzt geht’s richtig los. 18 Monate lang wird im Auftrag des Tiefbauamtes ein neuer Kanal geschaffen, um das Dorf, das jahrzehntelang ein Überflutungsschwerpunkt war, künftig vor Hochwasser zu schützen. Baustellenmanager Christoph Funder sagt: „Wir liegen voll im Zeitplan.“
Pfähle werden in den Boden getrieben
Das Bohrgerät wird jetzt zunächst genutzt, um die sogenannten Bewehrungskörbe für die Pfahlgründung in den Boden zu treiben. 58 Stück sind es, jedes zehn bis elf Meter lang bei einem Durchmesser von jeweils 90 Zentimetern. „Im Anschluss“, so erklärt Bauleiter Rolf Hagemeier, „werden sie mit Beton ausgegossen. Die Startbaugrube muss vor Einsturz gesichert werden“. Erst dann ist ein Aufkoffern in die Tiefe möglich. Dreieinhalb Wochen wird das etwa dauern, so rechnet er.
Das Problem im Dorf Hiltrop ist der dicht besiedelte Bereich, so dass der Kanal in einer neuen Trasse verlegt werden muss. Hinzu kommt eine parallel verlaufende Thyssen-Gasleitung. Ist die Grube an der Kreuzung Dietrich-Benking-Straße / Im Hagenacker fertig, fährt das Bohrgerät weiter über die Wiescherstraße zur Straße Im Brennholt.
Zweite Baugrube entsteht Im Brennholt
Dort entsteht eine zweite Baugrube, statisch bedingt nicht rund, sondern oval. 340 Meter sind es von Grube zu Grube, die während der kommenden Monate unterirdisch überwunden werden müssen. Hinter dem Brennholt geht es noch einmal 90 Meter im Kanal weiter, dort aber dann in offener Bauweise, was nur möglich ist, weil hier nicht der Verkehr behindert wird.
Der unterirdische Vortrieb geht einher mit der Kampfmittelsuche und ist „bemannt“: Es ist nicht möglich, wie üblich einfach von oben in den Grund zu bohren, weil die vorhandene Gasleitung ein Echo geben kann wie ein Blindgänger. So sitzt vor Kopf ein Kanalbauer, der waagerecht das Erdreich auf Bomben absucht. Die Vortriebsmaschine ist elf mal sechs Meter groß und arbeitet sich in rund sieben Metern Tiefe voran.
Druckluft verdrängt das Grundwasser
Ein kleiner Bohrer (Durchmesser 50 Zentimeter) löst das Gestein, das in Loren abtransportiert wird. Mit Druckluft wird das Grundwasser verdrängt, das in einer Tiefe von ca. vier Metern beginnt. „So haben wir kein nasses, sondern nur feuchtes Gestein. Damit lässt sich besser arbeiten.“
Dann können die jeweils vier Meter langen Kanalrohre eingelegt werden. Hagemeier: „Sobald ein neues Rohr liegt, untersuchen wir den Boden auf Störkörper.“ Die Daten werden elektronisch ausgewertet, mehrfach am Tag, auf der Suche nach Kampfmitteln. „Das muss man sich so vorstellen wie beim Sonar im U-Boot“, erklärt Ralf Blankenburg von Tiefbauamt, Sachgebiet Neubau.
Regenrückhaltebecken Im Brennholt
Die Kosten für die Kanalbaumaßnahme liegen bei drei Millionen Euro. In einer weiteren Maßnahme soll Im Brennholt ein Regenrückhaltebecken entstehen.
Auch hier müssen Millionen investiert werden, denn der Standort befindet sich auf dem Gelände der früheren Zeche Constantin X, der Boden ist bekanntlich stark kontaminiert.
Nur wenige Firmen spezialisieren sich auf ein solches Verfahren, „die sind schon handverlesen“, so der Bauleiter. Er ist zuversichtlich, dass Ende nächsten Jahres „alles wieder schick ist, neu asphaltiert“. Schon etwa zwei Monate vorher sollen, wenn alles nach Plan läuft, die Verkehrseinschränkungen aufgehoben werden, weil dann nur noch Im Brennholt gearbeitet wird.
Verkehrsführung wird beibehalten
„Bis dahin werden wir an der Verkehrsführung nichts ändern. Es ist einfacher, wenn sich die Menschen daran gewöhnt haben“, erklärt Christoph Funder. Das heißt: der Hagenacker bleibt an der Kreuzung gesperrt. Wer von Herne kommend in die Frauenlobstraße will, muss bis zum Kreisverkehr Hiltroper Straße fahren, um dann in Gegenrichtung über die frühere Busspur einbiegen zu können. Doch inzwischen, so können die Tiefbauer beobachten, hat sich alles gut eingespielt. „Vorher gab es zu Stoßzeiten hier an der Kreuzung enorme Rückstaus. Das ist jetzt vorbei“, sagt Rolf Hagemeier.
Die Beschwerden hätten stark nachgelassen. Die Tiefbauer stehen in regelmäßigem Kontakt zu den unmittelbar betroffenen Nachbarn, allen voran Zahnarzt Lars Christian Wahl, dessen Haus direkt neben dem Bohrgerät steht. Hagemeier: „Wir sagen vorher Bescheid, wenn’s heftig wird. Umgekehrt setzen wir auch mal eine Stunde aus, wenn er eine Operation durchführen muss.“