Bochum. Der Literatur-Ausstoß ist trotz Corona ungebrochen hoch. Auch Bochumer Autoren waren fleißig. Die WAZ verrät, welche Lektüre sich lohnt.
Literatur wird auch und gerade in Corona-Zeiten produziert. Auch Bochumer Autoren waren fleißig. Welche Lektüre lohnt sich? Die WAZ gibt fünf Lese-Tipps.
1 Klaus Märkert: Lesebuch
Die Reihe Kleine Westfälische Bibliothek ist ein literarisches Kleinod, sauber editiert stellt sie Werke von Schriftstellern der Region kompakt und kompetent vor. Nun wurde auch dem Bochumer Autoren Klaus Märkert eines der schwarz/grün gestalteten Bändchen gewidmet. In über 30 Shortstories kann man in Märkerts teils skurrile Gedankenwelt eintauchen, und erfahren, was es mit dem von ihm geprägten Begriff „Nachthumor“ auf sich hat.
Literatur-Karte im Internet
In der Kulturszene des Ruhrgebiets ist die Literatur von zentraler Bedeutung. Wie viel sich in dieser Hinsicht tut, das zeigt die Literaturkarte Ruhr.
Sie wurde 2015 an der Ruhr-Universität Bochum erstellt. Ziel war und ist es, die vielseitige literarische Szene der Region übersichtlich und für jeden zugänglich zu präsentieren.
Anhand von über 200 Markern kann man sich auf der Website www.literatukarte einen Überblick verschaffen.
Der Bochumer, der sich seit den 1980er Jahren auch als DJ im „Appel“, „Zwischenfall“ und „Logo“ einen Namen gemacht hat, mixt in seinen flott wegzulesenden Geschichten schräge Einfälle mit Rückkopplungen der Pop-Musik. Etwa, wenn plötzlich eine leibhaftige Hexe zum Haareschneiden im Friseursalon auftaucht und Sinead O’Connors 80er-Jahre-Raspelschnitt („Nothing Compares 2 You“) zum Casus Knaxus wird (Lesebuch Klaus Märkert, Asthesis Verlag, Nylands Kleine Westfälische Bibliothek Bd. 95, 152 Seiten, 8,50 Euro).
2 Arne Dessaul: Verschluckt
Der Krimi-Autor Arne Dessaul hat nicht nur eine blühende Fantasie (oder sollte man es besser Kombinationsgabe nennen?), sondern gleich zwei Heimatorte: Bochum und Wolfenbüttel. In seinem Erstling „Trittbrettmörder“ bezogt der Weitmarer die Ruhrstadt mit ein (Mord am Bahnhof Ehrenfeld!), in seinem zweiten Buch „Bauernjäger“ verlagert er den Schauplatz des Schreckens in seinen Geburtsort Wolfenbüttel.
Auch in Dessauls neuem Buch „Verschluckt“ geht es in besagter niedersächsischer Mittelstadt schwer zur Sache. Kommissar Helmut Jordan wird nicht nur mit Mord und Totschlag konfrontiert, sondern auch mit dem streng gehüteten Geheimnis eines Kräuterlikörs namens „Hexenschluck“.
Man liest diesen Krimi ohne viel Federlesens durch, und erfreut sich an der unterhaltsamen Schreibe, der Stimmigkeit des Plots und vieler Wendungen - und am Kräuterschnaps selbst. Denn im Gegensatz zur Handlung, die frei erfunden ist, gibt es den „Hexenschluck“ nämlich wirklich. Allerdings heißt er im richtigen Leben „Jägermeister“, und wird in Wolfenbüttel für Abnehmer in aller Welt abgefüllt (Arne Dessaul: „Verschluckt“, Books on Demand Norderstedt, 299 Seiten, 9,99 Euro).
3 Ben Weber: Die Toten vonne Ruhr
Ben Weber kennt man wegen seines Debüts „Papa-Probetraining“, in der er originell und scheinbar gelassen Erfahrungen als engagierter Vater zu Papier brachte. In seinem neuen Buch „Die Toten vonne Ruhr“ geht es einen Zacken härter zu, auch wenn es sich nicht, wie der Titel nahe legt, um einen Krimi handelt. Vielmehr stellt Weber Betrachtungen von unterhaltsam bis tragikomisch an, die auch den einen oder anderen Denkanstoß vermitteln.
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Zum Beispiel wenn es, wie in der Titelstory, um die Frage des beruflichen Anspruchs und der Moral geht. Oder um das böse Ende von Nachbarschaftestreitereien in „Zombiekeller“. Oder um die autobiografischen Rückblenden in die 60er Jahre, einer Zeit, in der die elterliche Züchtigung von Kindern gang und gäbe war, Motto „Eine ordentliche Tracht Prügel hat noch keinem geschadet“. Es sind zwölf Geschichten zwischen Mord und anderen Miseren, vielfach garniert mit Ruhrpott-Slang (Ben Weber: Die Toten vonne Ruhr, Verlag Twentysix/Books on Demand, Norderstedt, 208 Seiten, 8,90 Euro).
5 Heide Rieck: Am Rand
Auf Bücher von Heide Rieck kann man zählen. Die Bochumerin (*1941) gehört nicht nur zu den produktivsten, sondern auch zu den aussagestärksten Schreibern hierzulande. Heiter-Episodisches, verschwurbelte Fantasy, Krimis gar liegen ihr fern; vielmehr versteht sie sich nicht nur als poetische, sondern immer auch als politische Schriftstellerin. Das gilt auch für ihr neues Buch „Am Rand“ mit 21 Prosaminiaturen zwischen Realität und Surrealem.
Dazu gesellen sich Reiseerzählungen, die sich als Vermessung von inneren und äußeren Landschaften auffassen lassen. Erinnerungsbilder aus der Geschichte tauchen auf, aber auch private Spuren eines langen, künstlerisch begriffenen Lebens. In vielen Anspielungen lassen Vorbilder wie Rilke, Walter Benjamin und Heiner Müller grüßen. Ein bemerkenswertes Buch! (Heide Rieck: Am Rand. Innere Landschaften und ein bisschen Wüste, Projekt Verlag Bochum,147 Seiten, 14,50 Euro.)
5 Aeneas Rooch : Mein wasserdichtes Baby
Aeneas Rooch ist Mathematiker und Physiker, was aber nicht heißt, dass er keinen Sinn für Humor hätte. Im Gegenteil. Der Wissenschaftler ist bekannt dafür, dass er noch die komplexesten Zusammenhänge unterhaltsam und mit Sinn für den Gag an der passenden Stelle ‘rüberbringen kann. Nachdem der Bochumer sich in „Rubbel die Katz“ an Phänomenen wie „Weshalb sind 40 Grad nicht doppelt so warm wie 20 Grad?“ abarbeitete, dringt er jetzt in ein anderes, mindestens ebenso komplexes Universum vor: die wunderbare Welt der Babys.
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Witzig und faktensicher lässt er Erstaunliches aus dem Alltag mit den Kleinsten vom Stapel. Besitzen Babys einen Tauchreflex? Ist es gesund, wenn Eltern den Schnuller ablecken? Rooch kennt die Antworten! Eine Lektüre, die Spaß macht, und in der man noch ‘was lernt; geeignet nicht nur für Eltern in schlaflosen Nächten (Aeneas Rooch: Mein wasserdichtes Baby. Verblüffende Phänomene aus dem Babyversum wissenschaftlich erklärt, Heyne Verlag München, 237 Seiten, 9,99 Euro).