Bochum. Blumenwiesen fördern die bedrohte Artenvielfalt. Eine große Wiese wird von Fritz Ludescher in Bochum entwickelt. Er ist begeistert.
Dr. Fritz Ludescher hat sich auch in fortgeschrittenem Alter die schönen Gabe erhalten, wegen scheinbarer Kleinigkeiten eine große Begeisterung zu zeigen: Es geht um die Acker-Witwenblume, die sich auf einer wilden Blumenwiese in Bochum-Oberdahlhausen entfaltet hat.
„Sie sehen mich freudig erregt“, sagt der leidenschaftliche Naturschützer, als er sich zu den violetten Blüte hinabbeugt und mit Auge und Herz ihre Schönheit aufsaugt. Die wilde Blume wächst auf einer rund 7000 Quadratmeter große, leicht abfallenden Wiese der Stadt an der Kassenberger Straße, gegenüber von Landwirt Wibbecke und befindet sich in vorzüglicher Gesellschaft: mit Schafgarbe, gelbem Klee, rotem Klee, Vogelwicke, Kornblume, Klatschmohn und der wilden Möhre, einer Wildform der Karotte, um nur einige Blumenarten dort zu nennen.
Insekten brauchen in ganz Bochum ständig „Flugbenzin“
Auf der Wiese, eine ehemalige Müllhalde, lässt das Grünflächenamt Ludescher freie Hand für die Entwicklung einer Blumenwiese, wie sie in Bochum viel häufiger vorkommen sollte. Nicht nur der Landschaftsästhetik wegen, sondern auch zur Steigerung der Artenvielfalt und wegen der Insekten, die dort Nahrung finden.
In den vergangenen rund 30 Jahren, sagt Ludescher, ist die Masse der Insekten in Deutschland um 75 Prozent zurückgegangen. Das haben Studien herausgefunden. „Das ist dramatisch, unfassbar, das muss man sich mal vorstellen!“, sagt der Naturkenner und -schützer.
Mit Blumenwiesen versucht Ludescher, gegen diese Entwicklung „ein Korrektiv“ zu setzen: „Wir müssen viel mehr Blühvielfalt in die Landschaft bringen.“ Er fügt hinzu: „Was nicht einfach werden wird.“ Aber Insekten sind ständig auf Wanderschaft und brauchen den Nektar sozusagen „als Flugbenzin“, den sie unterwegs in Gärten und auf Wiesen tanken können.
Blumenwiesen entwickeln sich auf nährstoffarmen Böden
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Angelegt haben Ludescher und andere Naturfreunde die Blumenwiese - die größte städtische in Bochum - vor rund zwei Jahren. Da Blumenwiesen sich nur gut auf einem nährstoffarmen (stickstoffarmen) Boden entwickeln, musste der Boden gut vorbereitet werden und ein guter Samen verwendet werden: einer für mehrjährige und nicht wie oft im normalen Handel angeboten nur für einjährige Blumen. Außerdem soll er einheimische Blumen hervorbringen, damit auch einheimische Insekten die Blüten anfliegen.
„Jeder einzelne Bürger, und wenn er auch nur ein paar Quadratmeter hat, ist aufgerufen mitzumachen.“ Man sollte aber nicht nur an den schnellen Erfolg denken: „Man braucht Geduld und viele Jahre, nicht schon im ersten Jahr aufgeben“, rät Ludescher. „Die Entwicklung einer Blumenwiese braucht Zeit.“ Deshalb blühen auch auf der Wiese an der Kassenberger Straße bisher nur einige Streifen und längst nicht alles.
Schmetterlinge tummeln sich zwischen den Blüten in Bochum
Vor einigen Tagen ist eine öffentliche Blumenwiese an der Bahnhofstraße in Wattenscheid gemäht worden, nachdem es eine Beschwerde über zu hohem Wuchs gegeben hat. Ludescher aber rät, Blumen nur zweimal im Jahr zu mähen, um den Blüh-Rhythmus nicht zu stören: Einmal Ende Mai/Anfang Juni, das andere Mal Ende September/Anfang Oktober, damit die Samen aus der zweiten Blüte genug ausreifen können. Zu häufig gemähte Blumen würden eingehen.
Mit großer Freude beobachtet Ludescher auch die Schmetterlinge, die sich auf der Blumenwies in Oberdahlhauen tummel. Am vorigen Freitag begrüßte er zum Beispiel einen kleinen Bläuling auf einer wilden Blüte. „Er ist der erste, der auftaucht, wenn man eine Blumenwiesenstruktur anbietet.“
Mit seinem Handy hat Ludescher dort auch einen Schwalbenschwanz-Schmetterling fotografiert. Wetten, dass er auch darüber ungefähr so begeistert war wie über die Acker-Witwenblume?