Bochum. Bochumer Kitas sollen künftig an weniger Tagen schließen, dafür gibt es mehr Geld für die Träger. Aus Einrichtungen kommt nun scharfe Kritik.

Die Kitas in Bochum sollen nur noch an maximal 19 Tagen im Jahr geschlossen bleiben, dafür wird der kommunale Zuschuss erhöht. Als Elke Finger-Zirkler, Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte Finefraustraße, vergangene Woche von diesem Angebot der Stadt las, wurden sie und ihr Team wütend. Von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hieß es dazu: „Die Kita-Schließzeiten sollen sich an die Bedürfnisse der jungen Familien orientieren und nicht umgekehrt.“ Finger-Zirkler merkt an: „Über diese Aussage sind wir sehr befremdet. Bedeutet das etwa, dass sich alle Kitas in Bochum nicht an den Bedürfnissen der jungen Familien orientieren?“

Enttäuschung über Zugeständnis des Trägers

„Kleine Kinder benötigen doch auch ihre Familien und nicht nur öffentliche Einrichtungen“, kritisiert Elke Finger-Zirkler, Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte Finefraustraße, das Angebot der Stadt, dass Einrichtungen mehr Geld für weniger Schließungszeiten bekommen.
„Kleine Kinder benötigen doch auch ihre Familien und nicht nur öffentliche Einrichtungen“, kritisiert Elke Finger-Zirkler, Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte Finefraustraße, das Angebot der Stadt, dass Einrichtungen mehr Geld für weniger Schließungszeiten bekommen. © Frank Oppitz

Das gesamte Team ist unzufrieden. „Wir unterstützen berufstätige Eltern und gerade Alleinerziehende am meisten. Aber diese Forderung bringt uns an unsere Grenzen“, bedauert die Kita-Leiterin. Momentan können Kindertageseinrichtungen laut Landesgesetz an bis zu 27 Tagen im Jahr schließen, das mache die Kita Finefraustraße schon jetzt nicht. Damit der kommunale Zuschuss erhöht wird, dürfen die Einrichtungen künftig jedoch nur noch zehn Tage in den Sommerferien schließen: „Aber wir benötigen die dreiwöchige Schließung im Sommer, um im Team 15 Tage Urlaub abzubauen und auch, damit das Team sich erholen und Kraft schöpfen kann“, sagt Finger-Zirkler.

Der Zweckverband Katholische Tageseinrichtungen für Kinder im Bistum Essen hat sich hingegen noch keine feste Meinung gebildet: „Das Mehr an Betreuungszeit kann Vor- und Nachteile bieten, die im Einzelfall geprüft werden müssten“, beurteilt Philip Krisch, Gebietsleitung für einen Teilbereich von Bochum. „Auf Grund der Corona-Krise, bietet sich derzeit aber noch kein Spielraum, um diesen Sachverhalt für den Bereich Bochum im Ganzen zu bewerten“, beschreibt er weiter.

Kita-Träger: „Den kommunalen Zuschuss brauchen wir für unsere Grundfinanzierung“

Von Seiten der Mitarbeiter-Vertretung der evangelischen Kindergartengemeinschaft im Kirchenkreis Bochum, hagelt es Kritik: „Mit gutem Grund hat der Gesetzgeber im Kibiz definiert, dass die Anzahl der Schließtage 20 nicht überschreiten soll und 27 Öffnungstage nicht überschreiten darf. Wie ist es dann möglich, dass unsere Geschäftsführung sich mit der Stadt Bochum auf die Reduzierung der Schließtage auf 19 Tage einigt?“ Zwar begrüße die Mitarbeiter-Vertretung, wenn Eltern von Veränderungen profitieren. Allerdings gebe es keinen Einklang mit den wachsenden Belastungen für die Teams. Über das Zugeständnis der Geschäftsführung sei die Mitarbeitervertretung sehr enttäuscht.

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Laut Stadt sind die Träger der Kitas in Bochum vielfach dazu bereit, das Angebot anzunehmen. „Die Stadt greift tief in die Tasche. Den kommunalen Zuschuss brauchen wir für unsere Grundfinanzierung“, sagt Michael Both, Geschäftsführer der Kindergartengemeinschaft im Evangelischen Kirchenkreis Bochum. Zwar sieht er die Schließzeiten einer Einrichtung als Qualitätsmerkmal – um ein finanzielles Defizit zu decken, bleibe aber nur die Möglichkeit, das Angebot der Stadt anzunehmen und die Schließzeiten der Einrichtungen zu verringern. „Wir sind auf das Geld angewiesen“, so Both. In der Praxis sehe das so aus, dass mehr Urlaub während der Betreuungszeiten genommen werden muss. Auch wenn das ein riesiges Problem sei, meint der Geschäftsführer: „Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen.“

Eltern können entscheiden, wann Kinder in der Kita sind

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Die Stadt kennt die Kritikpunkte, trotzdem sagt sie: „Der Stadt Bochum ist es wichtig, dass sich die Kita-Schließzeiten an den Bedürfnissen von jungen Familien orientieren“, so Sprecherin Sarah Schmuttermair. Schließungen in den Sommerferien hätten Familien bisher vor Probleme gestellt.

Zuschuss: Bis zu 470.000 Euro stehen bereit

Laut Stadt Bochum stehen insgesamt 470.000 Euro zur Verfügung, um die Kindertagesstätten in Bochum zu bezuschussen. Ziel ist es, dass die Regelung, maximal 19 Tage zu schließen – nur zehn davon in den Sommerferien – für alle 190 Kitas gilt.

Berufstätige Eltern sollen von einer Ausweitung der „Flex-Kitas“ profitieren. Sie können in einem Zeitfenster von 6.30 bis 19 Uhr sowie samstags von 7.30 bis 13 Uhr (dann auch für Geschwisterkinder) öffnen. Drei dieser Kitas gibt es in Bochum. Mit Beginn des neuen Kindergartenjahres im August sollen drei weitere Flex-Kitas hinzukommen. Für 2021 werden stadtweit zehn Flex-Kitas angestrebt.

„Häufig müssen deshalb Eltern ihren Urlaub hintereinander nehmen, um die Zeit zu überbrücken - ein gemeinsamer Urlaub als Familie gestaltet sich somit schwierig“, erklärt Schmuttermair. Die Reduzierung der Kita-Schließzeiten geschehe vornehmlich vor dem Hintergrund einer besseren Vereinbarung von Familie und Beruf und solle nicht dazu dienen, dass die Kinder länger in der Kita verweilen.

„Kleine Kinder brauchen ihre Familien und nicht nur öffentliche Einrichtungen“

Diesen Punkt sieht Einrichtungsleiterin Finger-Zirkler, die Familien dabei unterstützen will, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, kritisch: „Warum dürfen Kindergartenkinder, die 45 Stunden in der Woche die Kita besuchen, zum Beispiel im Sommer nicht drei Wochen Ferien mit ihrer Familie machen?“, merkt sie an.

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Auch wenn es, wie die Stadt Bochum betont, keine Kita-Pflicht gibt und es den Eltern überlassen bleibt, ob sie in die Kita bringen oder nicht wie auch, sagt Finger-Zirkler: „Kleine Kinder benötigen doch auch ihre Familien und nicht nur öffentliche Einrichtungen.“ Sie wünscht sich, dass Arbeitgeber auf junge Familien zugehen und nicht die wichtige Schließzeit der Kitas reduziert wird. „Wir leisten pädagogisch fundierte Arbeit und das gerne. Wir sind nicht arbeitsscheu, doch müssen wir so wirklich aufpassen, dass wir bald nicht alle aus dem letzten Loch pfeifen.“