Bochum. Verlassene Orte finden sich zahlreich in Bochum. Solche „Lost Places“ sind für manche eine Abenteuerspielplatz. Dabei sind sie gefährlich.
Sie befinden sich versteckt im Wald und manchmal mitten in der Großstadt – Lost Places, verlassene Örtlichkeiten und Gebäude. Zwar stehen sie leer, vergessen sind sie aber nicht. Immer öfter werden solche Ruinen und verfallenen Stellen zu Zielen von Besuchern. Und das aus verschiedenen Gründen.
Lost Places in Bochum: So haben wir berichtet
Lost Place in Bochum: Frau stirbt nach Rettungsaktion:
Eine Frau bricht auf einem Brachgelände in Bochum leblos zusammen und stirbt später. An sogenannten „Lost Places“ gibt es immer wieder Vorfälle.
Bochum: Immer wieder passieren Unglücke auf Industriebrachen:
Immer wieder passieren Unglücke auf Industriebrachen in Bochum. So stürzte 2012 ein 16-jähriger im Industriewald vom Dach einer Ruine.
„Lost Places“: Szene-Kenner befürchtet häufigere Unfälle:
Nach dem tödlichen Unfall auf einem Bochumer Brachgelände nahe dem Westpark warnt ein Kenner der Lost Places: Das Hobby sei „schweinegefährlich“.
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Auch in Bochum sind Leerstellen im Stadtbild gar nicht so selten. „Der Begriff Lost Places stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich Verlorene Orte; tatsächlich bezeichnet er Orte, die aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwunden sind“, weiß Olaf Rauch, Kurator der Foto-Ausstellung „Urb Expo“, die im Herbst zum neunten Mal in Bochum stattfinden wird.
Die Schau ist spezialisiert auf Fotografien von aufgelassenen Industrieanlagen, Krankenhäusern, Hotels, Freizeitparks, Schwimmbädern, Kirchen, Wohnhäusern und militärische Einrichtungen aus aller Welt. Ihr Name Urb Expo leitet sich von „Urban Exploration“ oder „Urban Exploring“ ab – gemeint ist die private Erkundung von Einrichtungen des städtischen Raums und eben der so genannten Lost Places.
Als Bauruine und Schandfleck wahrgenommen
Obwohl Lost Places teilweise mitten in Städten oder sogar weithin sichtbar existieren, werden sie häufig nicht oder negativ als Bauruine und Schandfleck wahrgenommen. Für Stadtentwickler, Raumplaner, Eigentümer und Politik stellen sie eine Herausforderung dar. „Einst bedeutsame Orte dürfen sich nicht selbst überlassen werden, nur, weil sie heute scheinbar nutzlos sind“, sagt Olaf Rauch.
Doch es gibt Unterschiede in der „Aneignung“. Das Team der Urb Expo hat es sich zur Aufgabe gemacht, Orte vor dem Vergessen zu bewahren und zu Verantwortung zu mahnen. „Lost Places sind weit mehr als aufgegebene Standorte, die Jugendlichen als Abenteuerspielplatz oder Sprayern als Leinwand dienen“, sagt Olaf Rauch. Vielmehr stellten sie Relikte der Vergangenheit dar, die auf eine Transformation in die Zukunft warten.
Aber was, wenn die Zukunft selbst eine Leerstelle ist? Dann wird mancher „alte Kabachel“ nicht mehr renoviert, weil kein allgemeines oder finanzielles Interesse daran besteht. Gut in Erinnerung ist das „Tusculum“ an der Hattinger Straße in Linden, ein historisches, schieferverkleidetes Stadthaus aus dem 18. Jahrhundert, das ein Dauerleerstand war, bis schließlich die Abrissbirne kreiste.
Gänsehaut-Faktor macht den Reiz aus
Bei anderen Gebäuden wurden die Renovierung zwar begonnen, doch irgendwann abgebrochen, weil plötzlich Geld oder Genehmigungen fehlten. Das Hochhaus im Lohring ist so ein Fall. Doch eines haben sie alle unfertigen, nicht mehr nutzbaren Objekte gemeinsam: den Gänsehaut-Faktor, der auf manche Zeitgenossen einen besonderen Reiz ausübt.
Das Ruhrgebiet mit seinen zahllosen Industrieanlagen ist schon lange ein Eldorado für Spurensucher der Vergangenheit. Schon in den 70er und 80er Jahren waren alte Zechen, Stahlwerke und Fabrikhallen beliebte Ziele, um auf Abenteuerreise, gleich um die Ecke, zu gehen. Die Faszination des Geheimnisvollen, auch des Verbotenen spielte damals ebenso wie heute eine Rolle.
Gebäude gammeln vor sich hin
Da die „Ziele“ durch die Modernisierung und Veränderung der Städte und Landschaften in den letzten Jahren immer weniger geworden sind, wurden die verbleibenden Areal zu gefragten „Hotspots“, deren Geo-Daten mit Fotos im Internet kursieren. Das Areal der Krupp’schen Unteren Stahlindustrie zwischen Malteserstraße und Westpark ist so eine Stelle. In dieser unsortierten Gegend soll die „Industrienatur“ sich selbst überlassen bleiben – aber wo Feuersalamander und Kleiner Abendsegler wieder heimisch sind, behaupten die vor sich hin gammelnden Gebäude als Relikte der alten Zeit ihren Platz. Und werden mitunter zu gefährlichen „Spielplätzen“ für menschliche Eindringlinge.
Eingeschlagene Scheiben, beschmierte Wände, gestohlene Möbel oder Unmengen an Müll sind denn auch die Folgen der hohen Beliebtheit der Lost Places. Es gibt sie auch in Bochum. Fünf Top-Spots sind:
Ehemaliger Containerbahnhof Langendreer (Geo:51°28’36.5“N 7°18’47.1“E)
Unterführungen Oesterheidestraße/altes Opel-Werk II (Geo: L51°28’45.7“N 7°19’39.9“E)
Ruine der Kokerei Neu-Iserlohn Somborn(Geo: 51.491883, 7.339047)
Stellwerk am alten Güterbahnhof Riemke (Geo: 51°30’21.1“N 7°11’54.7“E)
Stahlwerk-Brache Rombacher Hütte zwischen Schützenstraße und Bahnlinie (Geo: 51°27’47.8“N 7°11’05.0“E)
Achtung: Wer solche Lost Places erkunden möchte, sollte sich an Spielregeln halten!
Das fängt schon damit an, dass sich die Grundstücke fast immer in staatlichem oder privatem Besitz befinden und der Zutritt strengstens verboten ist.
Außerdem sind aufstehende Gebäude meist baufällig und einsturzgefährdet. Gelände von Lost Places werden also auf eigene Gefahr betreten.
Ganz wichtig: Im Vorfeld checken, was erlaubt und ungefährlich ist.
>>> Info: Foto-Ausstellung Urb Expo
Nachdem die 9. Ausgabe der Urb Expo für den geplanten Zeitraum vom 5. bis 21. Juni wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, steht nun der neue Termin fest.
Die internationale „Fotografie-Ausstellung zu verlassenen Orten und der Ästhetik des Verfalls“ findet nun vom 19. September bis 4. Oktober statt, wieder im Keller der ehemaligen Schlegel-Brauerei gegenüber dem Rathaus.