Langendreer. Das „Aus“ für den Rewe- und Naturkostmarkt Artmann in Bochum hat ein Nachspiel. Das Arbeitsgericht vertagt die Entscheidung über Kündigungen.

Die Klärung der Begriffe macht sich die erste Kammer des Arbeitsgerichts nicht leicht. Gleich mehrere Klagen von Mitarbeitern des Rewe- und Naturkostmarktes Artmann am Birkhuhnweg gegen ihre Kündigungen waren anhängig, der Vorsitzende Richter Christian Vollrath machte aber gleich zu Beginn des jüngsten Termins klar: „Das wird eine Entscheidung auf Basis der kleinsten Details, und die können wir noch nicht fällen.“

Die Anwälte von Kläger wie Beklagten hatten demnach eine Reihe von Schriftstücken nachgelegt, „Sie waren fleißig auf der Zielgeraden“, meinte Vollrath schmunzelnd. Die hatte die Kammer noch nicht ausreichend auswerten können und will daher einen weiteren Termin ansetzen, voraussichtlich im September.

Johannes Artmann zeigt das Abschiedsgeschenk eines Kunden bei Rewe Artmann in Bochum am Freitag, 12. Juni, dem  letzten Tag am Birkhuhnweg.
Johannes Artmann zeigt das Abschiedsgeschenk eines Kunden bei Rewe Artmann in Bochum am Freitag, 12. Juni, dem letzten Tag am Birkhuhnweg. © FFS | Svenja Hanusch

Bio-Anteil ausgebaut

„Hinter all dem steckt ein großes Risiko“, führte der Richter in ungewöhnlich entspannter Atmosphäre aus, „es ist schwer zu bewerten“. Etwa 20 Einzelklagen stecken in dem Gesamtpaket, darunter einige, bei denen offenbar zumindest die Kündigungsfristen der Mitarbeiter nicht korrekt eingehalten wurden.

Die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen stellt eine der Kernfragen des Verfahrens dar. Dazu müsste geklärt werden, was den Betrieb ausmachte, wie er nach außen hin wahrgenommen worden sei. Johannes Artmann, der das Geschäft seit 1991 führte, schilderte offen, er sei mit gerade acht Prozent Anteil an Naturkost und Bio-Produkten gestartet, nach Erweiterungen und Anbauten habe das Verhältnis seit sieben Jahren etwa 43: 57 Prozent, also nicht ganz die Hälfte Bio, betragen.

Nachfolger als reiner Bio-Laden

Diese Kombination nannte auch Artmanns Anwalt offenbar attraktiv für die Kunden, die neben dem gezielten Einkauf von Naturkost auch schätzten, die Artikel einer Supermarktkette am selben Ort kaufen zu können. Deshalb seien die Käufer nicht allein nur aus dem direkten Umfeld in Langendreer „zu diesem eingeführten Standort“ gekommen. Sicher war Artmann bei der Einschätzung, „denn’s“ verfolge eine „völlig andere Struktur“ und verkaufe ausschließlich Bio-Produkte. „Dann wird er das auch nur mit dem halben Personal machen“, unterstrich sein Anwalt.

Übergang

Ein Betriebsübergang führt nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Betrieb auf einen anderen Inhaber übertragen wird. Zweck der Regelung ist, einen Bestandsschutz für die betroffenen Arbeitnehmer zu gewähren. Deren Arbeitsverhältnisse gehen in diesem Fall auf den neuen Unternehmensträger über. Bis zu dieser Definition konnte ein Betriebsinhaber seinen Betrieb an ein eigens dazu gegründetes Tochterunternehmen veräußern oder verpachten und sich so von seiner Belegschaft trennen und den Kündigungsschutz umgehen.

Ein Betriebsübergang liegt nur vor, wenn eine Änderung in der Person desjenigen erfolgt, der arbeitsrechtlich die Organisations- und Leitungsmacht über den Betrieb ausübt, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine natürliche oder eine juristische Person, also eine Gesellschaft, handelt.

Die Grauzone umriss Richter Vollrath mit der direkten Ansprache an Johannes Artmann, wie sich die Situation darstelle, wenn heute ein Urteil fiele. Der Laden würde weitestgehend „fortgeführt“ und die Mitarbeiter daran gebunden, es wäre ein Betriebsübergang. Der Zeitpunkt und damit die Verantwortung für die Belegschaft müsse dazu definiert werden. „Mieter ist seit dem 1. Juli 2020 dennree“, hielten die Anwälte fest.

Alle Parteien an einen Tisch

Vollrath steuerte auf „eine Art Sozialplan-Verhandlung“ für die Mitarbeiter hinaus. Zur Klärung der Details und damit der Form des Übergangs müssten allerdings alle drei Beteiligten, also Johannes Artmann, der neue Betreiber „denns“ und die Belegschaft, an einem Tisch sitzen. „Ohne den geht’s nicht“, unterstrich er.

„denn’s Biomarkt“ ist nach eigenen Angaben ein Bio-Supermarkt mit über 6.000 Bio- und Naturprodukten. Die erste Filiale wurde 2003 im bayerischen Geretsried eröffnet. Seitdem folgten über 300 Fachmärkte in Deutschland und Österreich, unter anderem in Essen und Wattenscheid. „denn’s“ Biomärkte werden vom Bio-Großhändler „dennree“ beliefert.