Dahlhausen. In der Ausstellung „Wie meine Hoffnung überlebt hat“ erzählen elf Frauen ihre Fluchtgeschichten. Zu sehen ist sie in Bochum bis Ende August.
Elf Frauenfiguren aus Pappmaché, gerade einmal einen halben Meter groß, stehen mitten in der Lutherkirche nahe dem Altar. Alte Frauen, schwarze Frauen, Frauen mit Kopftüchern – die Mischung ist bunt. Ebenso vielfältig ist ihre Herkunft: Sie kommen aus Bosnien, Syrien, Kongo, Togo und Deutschland. Eins jedoch haben sie gemeinsam: Sie alle sind Bochumerinnen, die in ihrem Leben gezwungen waren zu flüchten. In der Wanderausstellung „Wie meine Hoffnung überlebt hat“ erzählen die Frauen ihre Geschichte von Flucht und Vertreibung.
Die starten beispielsweise mit 76 Jahren in Damaskus und führen über das Mittelmeer nach Deutschland, aber auch eine Frau, die 1945 aus Schlesien über Bayern ins Ruhrgebiet kam, erzählt ihre Geschichte. So berichtet die Bosnierin Maida, die 1992 vor der Verfolgung als Muslimin nach Deutschland floh, beispielsweise an einer Stelle: „Wir sind in einen Bäckerladen gegangen – und dann: Dieser Duft! Das vergesse ich nie.“
Lesen kann man davon auf mehreren Transparenten, die in Koffern in der Kirche verteilt aufgebaut sind. Nicht nur von positiven ersten Eindrücken erzählen die Frauen, es geht auch um Heimweh, Rassismus oder das Gefühl, nicht anzukommen.
So berichtet etwa Edelgard, die im Alter von zwei Jahren aus Tilsit floh und als Flüchtlingskind im Ruhrgebiet aufwuchs: „Das Gefühl, dass ich hier nur der Flüchtling bin, hat erst aufgehört, als ich gearbeitet habe“, und die Syrerin Wesal sagt über ihre Sehnsucht nach der Heimat: „Ich kann in den arabischen Geschäften dieselben Sonnenblumenkerne kaufen wie zu Hause. Aber sie schmecken hier nicht.“
Glaube gibt Kraft
Kraft ziehen die Christinnen und Musliminnen nicht nur aus dem Glauben. „Aus der Musik ziehe ich das Gefühl, der Heimat nahe zu sein. Wenn ich morgens um 4 Uhr aufstehen muss und zur Arbeit gehe, dann erinnert mich die Musik an meine Werte und dass ich etwas erreichen möchte“, sagt Emi, die 2002 aus dem Togo nach Deutschland kam.
Pfarrerin Eva-Maria Ranft vom Frauenreferat des Evangelischen Kirchenkreises, welcher die Wanderausstellung durchführt, erläutert dazu: „Die Frauen schöpfen ihre Kraft aus dem Glauben, aus Musik oder Tanz und aus der Hilfe und Unterstützung von anderen Menschen.“ Die biografischen Zitate und Kommentare, in denen die Christinnen und Musliminnen berichten, wie sie als Kind die Tiere unversorgt auf dem Bauernhof in Ostpreußen zurücklassen mussten, oder wie sie überhaupt nur mit der Kraft ihres Glaubens den gefährlichen Weg über den Grenzfluss Kongo wagen konnten – auf den ersten Blick mögen sie wie einzelne Schnipsel erscheinen.
Wer die Ausstellung jedoch durchschritten hat – eine gute halbe Stunde genügt dafür – erkennt das Verbindende der Erfahrungen. Das erklärt auch, warum sich viele deutsche Frauen, die im Mädchenalter nach dem zweiten Weltkrieg flüchten mussten, gut in die Situation der Kriegsflüchtlinge aus Syrien hineinversetzen können. „Thematisch gibt es für die Kirche mehrere Anknüpfungspunkte“, sagt deshalb auch die Küsterin der Lutherkirche Michaela Vollgrebe. Die Kirche wolle beispielsweise Ort des Kraftschöpfens und der Begegnung sein.
Offene Kirche erweitert
Gelegenheit dazu gibt es nicht nur bei Gottesdiensten, sondern zum Beispiel auch beim Besuch der „Offenen Kirche“. „Durch die Coronakrise ist das Konzept „Offene Kirche“ noch einmal populärer geworden und wir haben es von zwei auf drei Tagen erweitert“, berichtet auch Presbyterin Anja Lubbe-Berchem. Nun wolle man diese zweistündige Möglichkeit zum stillen Gebet, zum Entzünden einer Kerze oder zum Lesen in der Bibel mit einer Ausstellung noch attraktiver machen.
Einweihung mit Gottesdienst
Die Ausstellung ist vom 5. Juli bis zum 24. August in der Lutherkirche Dahlhausen (Dr.-C.-Otto-Straße 110) zu den Zeiten der offenen Kirche (donnerstags und sonntags 10-12, samstags 11-13) zu sehen.
Sie wird am Sonntag (5.) um 10.30 Uhr mit einem Gottesdienst eingeweiht.
Die Ausstellung, ein Projekt der Erwachsenenbildung der Evangelischen Kirche, ist auf Arabisch und Lingala (Kongo) übersetzt.
„Die Ausstellung kann bis Ende August zu den Zeiten der offenen Kirche besichtigt werden. Dann ist auch immer jemand vor Ort, der Auskunft über die Ausstellung geben kann“, so Lubbe-Berchem weiter. So wie die Frauen ihren Lebensmittelpunkt gewechselt haben, wandert auch die Ausstellung durch Bochum – der Weg von der letzten Station an der Emmauskirche an der Karl-Friedrich-Straße nach Bochum Dahlhausen war jedoch deutlich kürzer.