Bochum-Innenstadt. Im Bochumer Seniorenzentrum „Katharina-von-Bora-Haus“ haben vier Miethühner Einzug gehalten. Nun gibt’s sonntags frische Eier zum Frühstück.

Besucher des Katharina-von-Bora-Hauses der Diakonie Ruhr kamen bis vor kurzem wegen der Corona-Pandemie nicht ins Seniorenzentrum hinein, sondern nur bis zum Fenster oder an die Gartenpforte. Bertha, Goldie, Katharina und Susi schafften es trotzdem, „einzubrechen“. Seitdem sind sie schwer beliebt bei Hausbewohnerin Waltraud Hirschmann und den 115 weiteren Senioren im Haus an der Klinikstraße. An jedem Morgen wecken die vier Hühner mit ihrem fröhlichen Gegacker die Senioren. Und: bringen sie auch auf Trab.

Im Katharina-von-Bora-Haus holt Christa Schäfers die Eier aus dem Stall, wiegt sie und dokumentiert die Grammzahl.  
Im Katharina-von-Bora-Haus holt Christa Schäfers die Eier aus dem Stall, wiegt sie und dokumentiert die Grammzahl.   © Diakonie Ruhr | Mirjam Wagner

So wie Hausbewohnerin Christa Schäfers. Pünktlich um sieben Uhr früh steht die 90-Jährige mit weiteren Senioren seit dem Einzug der Tiere im Büro von Sozialarbeiterin Bärbel Abrolat und möchte die Hühner aus ihrem nächtlichen Schutzhaus ins Freigehege im Garten lassen.

Auf Bauernhof aufgewachsen

„Sie wuchs auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein mit Hühnern auf und findet es – wie viele andere hier – klasse, dass unsere Miethühner da sind“, erklärt die Mitarbeiterin. Natürlich klappt das Tag für Tag. Wenn nicht mit Hilfe der Sozialarbeiterin, dann unterstützt von Altenpflegern.

Weitere neue Rituale schließen sich an in Zeiten, in denen es kaum Abwechslung im Haus gibt. An jedem Morgen suchen die Senioren die Nester im Stall ab und sammeln die Eier ein. Da jedes Huhn der alten katalanischen Rasse „Empordanesa“ (Spanien) täglich ein braunes Ei legt, kommt einiges zusammen.

Senioren führen ein Eiertagebuch

Die Sammler tragen die Fundstücke – nebst Datum und Gewicht – sorgfältig in ein Eiertagebuch ein. Auch die Eier bekommen ein Datum. Sind 16 zusammen, gibt es ein gekochtes Frühstücksei für einen der sieben Wohnbereiche im Haus. Für die Sammler ist vor allem auch etwas anderes wichtig.

Abrolat: „Die Senioren stellen fest, dass sie noch schreiben können und sind stolz darauf.“ Das Füttern der Hühner geschieht im Wechsel der Etagen zu verschiedenen Tageszeiten. Neben Trauben erhalten sie gekochte Kartoffeln, Nudeln und Avocados.

„Am liebsten essen sie Melone“, hat Waltraud Hirschmann festgestellt, als sie für den Fotografen den Hühnern eine Traube mit der flachen Hand hinhält. „Die haben immer Appetit“, fügt sie hinzu. Zielsicher picken Bertha, Goldie, Katharina oder Susi die Früchte herunter. Es folgt oft eine kleine Verfolgungsjagd im Gehege, da auch die anderen genau diese eine Traube wollen.

„Pott-Rabauken“ vom Essener Bauern gemietet

Die Bewohner der vier Etagen im Hause sind die Hühnerpaten. „Katharina“ – grünes Band am Lauf – heißt das Huhn der 32 Bewohner im Haus am Stadtpark der ersten Etage, die in zwei Wohnbereiche geteilt ist. Das Ehepaar Anneliese und Karl-Heinz Walmann schlug den Namen vor und alle stimmten mit ein. Ihr Grund: „Unser Haus ist nach ‚Katharina von Bora‘, der Frau von Reformator Martin Luther, benannt.“ „Bertha“ (rot) gehört zur zweiten Etage, „Susi“ (gelb) zur Dritten und „Goldie“ (blau) zur Vierten.

Erinnerung an einen ehemaligen Bewohner

Wie kam es zu den Hühnern? Spenden, die anlässlich einer Beerdigung eines Hausbewohners zu Gunsten des Heims zusammenkamen, ermöglichten das Mieten der Vögel. Das Geld reicht noch weitere acht bis 10 Wochen.

Dann gehen die Hühner an den Bauern zurück, außer, es finden sich neue Spender.

Warum Hühner?: Sozialarbeiterin Bärbel Abrolat: „Mit dem Verstorbenen hatte ich vor seinem Tod ein langes Gespräch. Dabei erzählte er, dass er auf einem Bauernhof mit Hühnerhaltung aufwuchs.“

Im Gedenken an ihn kam es zu den Hühnern. Die Begeisterung im Haus ist groß, denn viele der Senioren wuchsen ebenfalls mit Geflügel auf.

Die Hühner zogen Mitte Juni im Altenheim ein. Die Sozialarbeiterin mietete die „Pott-Rabauken“ – so ihr Name – nebst Gehege und Stall sowie Kraftfutter vom Essener Bauern Weber vom Oberschuirshof. „Fast täglich berichten seitdem Bewohner ihren Pflegern, welche Kindheitserfahrungen sie mit Hühnern haben“, erzählt die Leiterin des Sozialen Dienstes.

Bewohner blühen auf

Wer nicht irgendetwas mit den Hühnern macht, schaut ihnen beim Picken, Scharren und Herumlaufen zu. Auch die Pflegekräfte in den Pausen. „Die sind einfach toll“, freut sich Seniorin Hirschmann. Auch ihr Sohn Frank erzählt davon, der zuvor – über den Zaun und mit Abstand – seine Mutter besuchte. „Seit ein paar Wochen ist das bei unseren Telefonaten und Gesprächen stets Thema. Sie ist damit richtig aufgeblüht“, sagt er. Das Federvieh bleibt insgesamt neun Wochen im Altenzentrum.