Bochum. Die freie Bühne will frühestens im September wieder öffnen – zu hoch sind die Corona-Auflagen. An der Rottstraße 5 hofft man auf den Neustart.
Sie planen, sie rechnen, sie überlegen – die freien Theater in Bochum stehen derzeit vor einer wichtigen Frage: Öffnen sie wieder oder nicht? Die Landesregierung hat den Bühnen ab 30. Mai grundsätzlich einen Spielbetrieb für bis zu 100 Zuschauer in Aussicht gestellt. Allerdings ist dieses Angebot an strenge Auflagen geknüpft: Abstands- und Hygieneregeln, die in der Corona-Schutzverordnung minutiös aufgelistet sind, gilt es zu beachten, um eine Öffnung im Juni überhaupt genehmigt zu bekommen.
Manche Theaterschaffende treiben diese Auflagen an den Rand der Verzweiflung. Denn der Wille, unbedingt wieder spielen zu wollen, ist bei allen freien Bühnen groß. Doch wie will man das bewerkstelligen?
Prinz-Regent-Theater hat die Spielzeit frühzeitig beendet
Am Prinz-Regent-Theater (PRT) ist nach langer Überlegung die Entscheidung gefallen, die Saison frühzeitig zu beenden und den Spielbetrieb frühestens im September wieder aufnehmen zu wollen. „Das ist uns nicht leicht gefallen“, sagt Geschäftsführerin Anne Rockenfeller. Doch nach Gesprächen mit dem Vorstand, den Behörden und Mitarbeitern sei diese Entscheidung „praktisch unumgänglich“.
Gleich mehrere Gründe führt Anne Rockenfeller dafür an: Da wären etwa die Sitzplätze. Laut Corona-Grundverordnung muss zwischen jedem Platz 1,50 Meter frei bleiben. Direkt nebeneinander sitzen darf nur, wer im gleichen Haushalt lebt. In dem ohnehin nicht besonders großen Saal bedeutet das: Maximal 12 bis 18 Zuschauer (statt 92) dürften pro Vorstellung überhaupt hinein. „Das ist aus wirtschaftlicher Sicht einfach zu wenig“, so Rockenfeller.
Kampf- und Kussszenen sind verboten
Außerdem: Zwischen den Schauspielern auf der Bühne und den Zuschauern muss laut Corona-Verordnung ein Abstand von mindestens vier Metern bestehen. Auch die Darsteller untereinander dürfen sich während des Spiels nicht zu nahe kommen. „Wir haben kein einziges Stück im Repertoire, das all diese Abstandsregeln erfüllt.“ Im Umkehrschluss bedeutet dies: Einige Stücke müssten neu inszeniert und den Regeln angepasst werden, um aufgeführt werden zu dürfen. „Auf die Kampf- und die Kussszenen etwa im ,Faust‘ müssten wir komplett verzichten, was dann auch künstlerisch höchst fraglich wird“, erzählt Rockenfeller.
Selbst eine Produktion wie „Die Frau, die gegen Türen rannte“, in der Kinga Prytula größtenteils auf Abstand zu ihrem Spielpartner Manuel Loos bleibt, enthält dennoch mehrere Momente der körperlichen Nähe: „Gerade im sehr aufwühlenden Schlussbild spielen die beiden Wange an Wange, berühren sich.“ Auch das wäre jetzt schlicht verboten.
Große Plastikplane soll Zuschauer und Schauspieler trennen
Im Theater Rottstraße 5 stellt sich die Lage etwas anders dar: „Unsere Tendenz ist, dass wir trotz allem unbedingt spielen wollen“, sagt der Leiter Oliver Paolo Thomas. Die kleine Bühne hat ein Hygienekonzept bei der Stadt eingereicht und wartet jetzt auf den Bescheid, ob oder wann es wieder losgehen könnte.
Nur 19 (statt 75 bis 80) Zuschauer dürften dann noch kommen. Da man den geforderten Abstand von vier Metern zur Bühne aus Platzgründen an der Rottstraße schlicht nicht einhalten kann, hat das Theater eine große, durchsichtige Plastikplane bestellt, die mitten durch den Saal gespannt werden soll und das Publikum von den Spielern trennt. „Das sieht dann aus wie Theater hinter einem gläsernen Vorhang und hat gewiss auch optisch seinen Reiz“, meint Thomas.
Werden die Zuschauer in absehbarer Zeit zurückkommen?
Für die Rottstraße 5 wäre eine mögliche Wiedereröffnung von großer Bedeutung, denn gerade in den Sommermonaten erzielt das Theater einen ordentlichen Teil seiner Einnahmen. Der „Rotten Summer“ ist bei den Theatergängern seit Jahren beliebt: „Darauf verzichten zu müssen, wäre für uns echt schwierig“, meint Thomas. „Aber wir sind hoffnungsfroh, dass die Wiedereröffnung klappt. Wenn auch nur mit reduziertem Spielplan und Stücken mit wenigen Schauspielern.“
Doch auch nach einem möglichen Neustart stellen sich die freien Theater auf eine ungewisse Zukunft ein. Werden die Zuschauer in absehbarer Zeit zurückkommen? Werden Stücke mit viel Personal überhaupt noch möglich sein? „Gut möglich, dass gerade das Zeitalter der Ein- bis Zwei-Personen-Stücke beginnt“, sagt PRT-Leiter Hans Dreher. „Bei aller Unsicherheit sind wir aber dennoch überzeugt, dass sich ein Theaterbesuch auch weiterhin lohnen wird.“
Info: Das Zeitmaul-Theater hofft auf den Neustart
Gespannte Erwartungen gibt es auch im Zeitmaul-Theater am Imbuschplatz: "Wir hoffen auf eine Genehmigung, um vielleicht in einer Woche wieder etwas zeigen zu können", sagt der Leiter Witek Danielczok. "Die Theaterpause war schließlich lang genug."
Nach den Corona-Richtlinien dürften 15 (der 80) Plätze im Saal noch gefüllt werden. Für die wenigen Zuschauer plant Danielczok einen Theaterabend mit Film und Live-Spiel mit Jana Schulz, Maria Wolf, Oliver Möller und dem Musiker Ruben Philipp.