Bochum. Die Corona-Zwangspause bringt die kleine Bühne auf eine fabelhafte Idee: Am Telefon liest ein Schauspieler ein Stück exklusiv für einen Zuhörer.

Die Bochumer Theaterszene gleicht im denkwürdigen Frühjahr 2020 einer Trümmerlandschaft. Die Bühnen sind geschlossen, frühestens Anfang Juni oder womöglich erst im Herbst könnte der Spielbetrieb wieder beginnen. Um den Kontakt zum Publikum dennoch nicht völlig zu verlieren, werden die Theatermacher kreativ.

Vor allem die unerschöpflichen Möglichkeiten des World Wide Web spielen ihnen dabei in die Hände. Am Schauspielhaus erfreut sich gerade der Youtube-Kanal ungeahnter Popularität: Nach den „Homestories“ mit Darbietungen des Ensembles werden ab Dienstag, 19. Mai, sogar kleine Kurzfilme mit Texten namhafter Autoren wie Elfriede Jelinek und Sibylle Berg ausgestrahlt. Reinklicken lohnt sich gewiss. Und am Prinz-Regent-Theater ging unlängst die erste Uraufführung online als Live-Stream über den PC.

Theater Rottstraße spielt Monologe live am Telefon

Etwas andere, fast schon altmodische Wege geht man dagegen an der Rottstraße 5: Irgendeinem Trend hinterher zu jagen, war den Machern der kleinen Off-Bühne immer schon suspekt. Das freie Theater versteht sich dagegen eher als Ort der direkten Konfrontation und einer möglichst nahen, rohen, ungeschminkten Auseinandersetzung mit den Stoffen, die die Zuschauer gern auch mal heftig vor den Kopf stößt.

Um eben keinen weiteren Stream in die Welt zu jagen, kam der künstlerische Leiter Alexander Ritter auf eine fulminante Idee: Er rückt das gute alte Telefon in den Mittelpunkt. Die „Telefon-Monologe“, die am vergangenen Wochenende erstmals angeboten wurden, sind tatsächlich das vermutlich unmittelbarste Live-Erlebnis, das man in diesen Corona-Zeiten bekommen kann.

Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine junge Frau

Wer mitmachen möchte, meldet sich am Theater zuvor per E-Mail an, nennt dabei seine Telefonnummer und bekommt dann einen „Timeslot“, also eine ungefähre Uhrzeit für den Beginn der Vorstellung. Zur vereinbarten Zeit klingelt dann das Telefon: Am anderen Ende der Leitung meldet sich die Stimme einer jungen Frau mit einer verheißungsvollen Aufforderungen: „Kommst Du mit?“ fragt sie, und durchaus gespannt sucht man sich in der Wohnung ein ruhiges Plätzchen und rückt den Hörer nah ans Ohr. Wohin es jetzt wohl gehen mag?

Rund zehn Minuten lang folgt man der jungen Frau in Gedanken auf einen Rummelplatz, von dem sie in schönsten Tönen erzählt, weiter in die Geister- und auf die Achterbahn. „Du kannst jetzt das alberne Tuch vom Mund nehmen“, schlägt sie vor, was der einzige Hinweis darauf ist, dass der Text, den sie spricht, neueren Datums sein muss. Um wessen Monolog es sich eigentlich handelt und wem die Stimme, der man so gern lauscht, zum Teufel eigentlich gehört, bleibt indes völlig offen. Auch auf eine Reaktion oder eine Art Schlussapplaus verzichtet die kurze Vorstellung ganz bewusst: Nach dem letzten Satz wird aufgelegt, ohne dass man kurz „Danke“ sagen könnte.

Vier Monologe werden abwechselnd gelesen

Vier Monologe, die eigens für das Theater Rottstraße 5 geschrieben wurden, werden in der neuen Reihe abwechselnd von den Mitgliedern des Ensembles 1:1 für jeweils einen Zuhörer gelesen. Im oben beschrieben Fall war es die fabelhafte Dagny Dewath, die dem Text „Immer zog alles davon“ von Anja Kampmann hauchzartes Leben einhauchte. Die andere Monologe stammen von Simon Strauss, Volker Schmidt und Hannah Zufall. Der Zuhörer hat keinen Einfluss darauf, welches Stück ihn erwartet, was natürlich auch den Reiz ausmacht.

Reizvoll daran ist auch die besondere Situation: Anders als beim herkömmlichen Hörspiel rückt die Stimme dem Zuhörer sehr nah, weil man genau weiß, dass am anderen Ende der Leitung tatsächlich jemand sitzt und zu mir spricht. Obwohl man den anderen gar nicht sieht, geht man mit ihm doch eine persönliche Verbindung ein. Man ist sich nah und doch ganz fern.

Info: Die nächsten Vorstellungen am Wochenende

Die Telefon-Monologe gibt es wieder am Freitag und Samstag (22./23. Mai) jeweils von 19 bis 21 Uhr. Wer einen der Monologe hören will, muss sich online einen „Timeslots“ buchen und wird dann zur angegebenen Zeit von einem der Schauspieler angerufen. Dabei gelten die gleichen Regeln wie im Theater: Der Spieler erzählt, der Zuschauer hört zu.

Die Teilnahme kostet 9,99 Euro per Paypal oder Überweisung. Karten und Infos unter karten@rottstr.de