Bochum. Ein Bochumer Gastronom verklagt seine Versicherung auf 830.000 Euro. Kern des Streits: Greift bei Corona ein Schutz bei Zwangsschließungen?

Der Bochumer Gastronom Christian Bickelbacher verklagt die Allianz-Versicherung auf Schadensersatz für Corona-Ausfälle: insgesamt knapp 830.000 Euro. Kern des Streits: eine Betriebsschließungs-Versicherung, auf die zahlreiche Gastronomen in der Corona-Krise gesetzt hatten. Doch die Allianz verweigert die Auszahlung. Begründung: Die aktuelle Pandemie sei mit der Versicherung nicht umfasst. Der Branchenverband Dehoga übt Kritik.

Die Gastronomie zählt zu den größten Verlierern der Corona-Krise. Zwar dürfen Restaurants und Gaststätten nach der Zwangsschließung im März seit Anfang Mai wieder öffnen. Die Hygiene- und Abstandsregeln lassen aber vielerorts nur mäßige Umsätze zu. Die Existenzsorgen bleiben.

Dehoga: 20 Prozent sind versichert

Auf 20 Prozent schätzt Dehoga-NRW-Sprecher Thorsten Hellwig den Anteil der Wirte und Hoteliers, die eine Betriebsschließung-Versicherung abgeschlossen haben. So auch Christian Bickelbacher, der sechs Betriebe führt, in Bochum u.a. das "ThreeSixty" und "Tucholsky" im Bermudadreieck.

"Eindeutiger geht's doch nicht!", sagt Bickelbacher und verweist auf einen Passus seiner Allianz-Versicherung, für die er seit 2007 pro Betrieb rund 450 Euro im Jahr zahlt. "Übernommen werden bis zu 30 Tage lang alle laufenden Personal- und Betriebskosten sowie der entgangene Gewinn, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Ihren Betrieb schließt", heißt es dort.

Coronavirus ist nicht aufgeführt

Genau dies sei ihm ebenso wie allen Kollegen widerfahren, so Bickelbacher. Für jeden Betrieb listete er den Schaden auf, den Corona verursacht habe: insgesamt 828.630 Euro. "Und darin ist die abgelaufene Ware, die mitversichert ist, nicht einmal enthalten."

Die Ablehnung kam prompt. Die Allianz weist alle Ansprüche zurück - und verweist aufs Kleingedruckte. Versicherungsschutz bestehe nur bei den rund 50 Krankheitserregern, die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgeführt sind. "Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist in der Liste nicht enthalten, so dass wir leider keinen Versicherungsschutz zur Verfügung stellen können", teilt die Allianz (Werbeslogan: "Immer für Sie da, wenn es drauf ankommt") mit.

Allianz bekräftigt Ablehnung

Auf WAZ-Anfrage bekräftigt Unternehmenssprecher Christian Weishuber die Entscheidung. Einbußen infolge der derzeitigen Pandemie seien nicht versichert. "Maßgeblich ist das, was als ,versichertes Risiko' vereinbart wurde." Und dabei tauche das Coronavirus ausdrücklich nicht auf.

"Wie denn auch? Das Virus gab es beim Abschluss der Versicherung ja noch gar nicht", grollt Christian Bickelbacher. Über die Bochumer Anwaltskanzlei Aulinger hat er Klage eingereicht - zunächst beispielhaft für seine "ThreeSixty"-Bars, für die er 204.210 Euro geltend macht. "Der Rest folgt später."

15 Prozent als Vergleichsangebot

Reaktionen der Allianz: ein "Vergleichsangebot". 70 Prozent der wirtschaftlichen Schäden für die Gastro-Branche, so die Lesart, seien durch diverse Staatshilfen bereits abgedeckt. Verbleiben 30 Prozent, an denen sich die Allianz zur Hälfte beteiligen wolle. Voraussetzung sei, "dass Sie im Nachhinein keine Ansprüche aus der Betriebsschließungs-Versicherung erheben".

"So können sich Versicherungen nicht ohne Weiteres aus der Verantwortung ziehen", bemängelt Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig. "Mehr als verständlich" sei die Enttäuschung vieler Gastronomen, die Vertrauen in ihren Versicherungsschutz hatten und die 15-Prozent-Regelung als Hohn betrachten.

Gastronom: Das ziehe ich durch

Das sieht die Anwaltskanzlei Aulinger ebenso. Eine Ablehnung wäre womöglich "nachvollziehbar, wenn seinerzeit das Coronavirus bereits bekannt gewesen und somit bewusst ausgeschlossen worden wäre", heißt es in der Klageschrift gegen die Allianz. "Eine solche Situation ist im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht gegeben."

Christian Bickelbacher fühlt sich durch den Zuspruch etlicher Kollegen und ein erster Urteil am Landgericht Mannheim ermutigt. Dort hat ein Hotelbesitzer geklagt und gewonnen. "Mein Rechtsstreit kann zwei Jahre dauern", sagt der Bochumer Gastronom. "Aber das ziehe ich durch."

In Anspruch nehmen will er dafür seine Rechtsschutzversicherung. Bei der Allianz.