Bochum. Eine 97-Jährige muss im Bochumer DRK-Altenheim ihr Zimmer räumen. Damit wird eine Corona-Verordnung des Landes umgesetzt. Der Sohn ist wütend.

Seit mehr als zwei Jahren wohnt die Mutter von Bernhard Preis im DRK-Altenheim An der Holtbrügge. "Sie hat sich gut eingelebt und ihr Zimmer mit Bildern und Blumen wohnlich gestaltet", sagt der Sohn. Doch neuerdings sei die 97-Jährige "verzweifelt und verstört". Die Heimleitung habe angekündigt, dass die hochbetagte Seniorin ihr Zimmer verlassen müsse. Eine Corona-Rechtsverordnung des Landes mache dies erforderlich.

Seit April gilt die NRW-Verfügung. Um einer Ausbreitung des Coronavirus vorzubeugen, schreibt sie vor, dass Bewohner von Pflegeheimen bei einer Neuaufnahme und nach der Rückkehr aus einer Klinik bis zu 14 Tage in Quarantäne müssen. Dazu sollen die Einrichtungen "Isolations- und Quarantänebereiche in einer für die Bewohnerzahl angemessenen Größe" vorhalten, in denen die Senioren "getrennt unterzubringen, zu pflegen, zu betreuen und zu versorgen sind", heißt es in der Verordnung - unabhängig davon, ob es in dem Heim bereits zu bestätigten Corona-Infektionen gekommen ist.

Zehn Zimmer werden freigezogen

Das DRK-Seniorenzentrum in Weitmar blieb mit seinen 250 Bewohnern - anders als andere Heime in Bochum - bislang vom Virus verschont. Gleichwohl folgt das Rote Kreuz der Vorgabe der Landesregierung. Der Wohnbereich "Geitling" wird zur Isolierstation. Inzwischen seien neun Zimmer freigezogen worden, bestätigt Heimleiter Ralf Zeiss; ein zehntes soll bald folgen.

Die Umzüge erfolgten sukzessive, wenn Zimmer - meist durch Todesfälle - frei werden. Sollte es zu Infektionen kommen, stünde zusätzlich die derzeit geschlossene DRK-Tagespflege zur Verfügung.

Sohn klagt: Bewohner sind am Boden zerstört

Während das DRK versichert, die Verordnung "so menschlich wie möglich" und mit Einverständnis der Bewohner und Angehörigen umzusetzen, berichtet Bernhard Preis von "massiven Auswirkungen". "Meine Mutter, die trotz ihres Alters noch klar bei Verstand ist, hat mir erzählt, dass alle betroffenen Bewohner am Boden zerstört sind", sagt der WAZ-Leser. Das sei mehr als verständlich: "Das ist ja so, als ob ich aus meiner eigenen Wohnung fliege."

Übergangen fühlt sich der Sohn obendrein: "Durch das wochenlange Besuchsverbot hat man kaum Einflussmöglichkeiten. Es gibt keine Rücksprache, keine Begleitung." Seine Befürchtung: "Die Einsamkeit vieler Bewohner, gerade jetzt, wo kein Besuch möglich ist, wird sich eklatant erhöhen, wenn die gewohnten Strukturen und bekannten Gesichter wegbrechen. Da muss es doch bessere Lösungen geben!"

SBO setzen auf Einzelzimmer-Lösung

Die Senioreneinrichtungen Bochum (SBO) gehen einen anderen Weg. Bis zum 6. Mai wurde der alte, leerstehende Trakt des Hauses am Glockengarten als gesonderter Quarantänebereich für Neuankömmlinge und Klinik-Rückkehrer genutzt. "Das hatte den Vorteil, dass wir in den Einrichtungen keine Zimmer freiziehen mussten", erklärt Prokurist Frank Hillebrand.

Aktuell können betroffene Bewohner in ihren Einzelzimmern bleiben, die bis zur Entwarnung vorsorglich als Quarantänebereich gelten. "Auch das ist laut Verordnung möglich. Wir haben mit unseren insgesamt 500 Bewohnern damit keine Probleme", so Hillebrand.

Hoffnung auf baldige Rückkehr

Auf eine Rückkehr in ihre angestammten vier Wände darf auch die Mutter von Bernhard Preis hoffen. Das DRK-Heim kündigt an, die 97-Jährige in einen benachbarten Wohnbereich zu verlegen, damit zumindest ihr Pflegepersonal nicht wechselt. Sobald das Haus in den Normalbetrieb zurückkehren kann, dürften alle Bewohner zurück in ihre alten Zimmer.

Schon jetzt ist der Bedarf für die Quarantäne-Station überschaubar: Laut DRK sind derzeit zwei der neun Räume belegt.