Bochum. Die ersten Bochumer Seniorenheime lassen wieder Kontakte zwischen Bewohnern und Angehörigen zu. Ganz nah kommt man seinen Liebsten aber nicht.
Mehr als ein Monat nach der Schließung der Bochumer Altenheime für Besucher lockern die ersten Häuser die Corona-Beschränkungen. So erlauben die Senioreneinrichtungen Bochum (SBO) wieder Kontakte zwischen Bewohnern und Angehörigen - wenn auch unter strengen Hygieneauflagen.
"Sie verweigert plötzlich das Essen. Die Depressionen werden von Tag zu Tag mehr. Fröhlichkeit ist nicht mehr da. Sie ist nicht mehr wiederzuerkennen." Mit berührenden Worten beschreibt Andrea Jacob in einer Zuschrift an die WAZ ihre Erfahrungen mit einer 85-jährigen Heimbewohnerin aus ihrem privaten Umfeld in Corona-Zeiten.
Psychische Folgen werden immer dramatischer
Von "Käfighaltung" spricht Andrea Jacob. Von der unendlichen Einsamkeit vieler Bewohner, die allein in ihren Zimmern sind und ihre Liebsten täglich mehr vermissen. Und von der Traurigkeit und Sorge der Familien, die den Eltern oder Großeltern seit so langer Zeit nicht nahe sein dürfen.
In der Tat würden die psychischen Folgen der Kontaktsperre "immer dramatischer", bestätigt SBO-Geschäftsführer Frank Drolshagen. Video-Gespräche per Handy oder Tablet seien hilfreich, reichten auf Dauer aber nicht aus. Es sei an der Zeit, Lösungen für die vier SBO-Heime mit ihren 588 Senioren zu finden, die Familien wieder zusammenführen, ohne dabei die Gefahr von Ansteckungen zu erhöhen.
Kontakt auf Terrasse und im Zelt
Die städtische Gesellschaft hat zwei Varianten entwickelt:
In den Häusern am Glockengarten und an der Grabelohstraße sollen Terrassentüren mit einem neuem Rahmen eingefasst werden. Darin wird eine Schutzfolie angebracht. So sollen sich Bewohner (drinnen) und Besucher (draußen) begegnen und miteinander sprechen, ohne dass die Hygieneregeln verletzt werden.
An der Bayern- und Graf-Adolf-Straße komme die Terrassen-Variante nicht infrage. Hier stehe die SBO in Verhandlungen mit einem Bochumer Zeltbauer, der Altenheimen ein drei mal drei Meter großes Pagodenzelt mit einem trennenden Glaselement in der Mitte anbietet. "Das könnten wir im Garten aufbauen", heißt es bei der SBO, deren Sozialer Dienst in diesen Tagen Angehörige anschreibt und persönliche Treffen "mit Ihren Lieben" anbietet. Wie Frank Drolshagen mitteilt, könnten die Besuche in der nächsten Woche beginnen und rund 15 Minuten dauern.
Es gab schon Geburtstagsständchen
Bereits umgesetzt wird die Terrassen-Lösung bei der Caritas. In den Seniorenheimen St. Franziskus in Riemke und St. Elisabeth von Thüringen in Wattenscheid können Bewohner und Angehörige über offene Fenster oder Terrassen kommunizieren, berichtet Sprecherin Annette Borgstedt. "Über diesen Weg gab es sogar schon einige Geburtstagsständchen." Weitere Lockerungen der Besuchersperre seien allerdings nicht geplant, solange nicht ausreichend Schutzmaterialien zur Verfügung stehen.
Awo denkt nicht über Lockerung nach
Noch keine Überlegungen gebe es für eine Lockerung in den vier Senioreneinrichtungen der Awo Westliches Westfalen in Bochum, erklärt Sprecherin Katrin Mormann - erst recht nicht für das Heinrich-König-Zentrum in Weitmar, das neun der bislang 15 Corona-Toten in Bochum beklagt und unter behördlich angeordneter Quaratäne steht. Etwaige Änderungen würden "nur in engster Abstimmung mit dem Gesundheitsamt umgesetzt", so die Arbeiterwohlfahrt.
Für WAZ-Leserin Andrea Jacob steht fest: "Wir brauchen einen Zeitplan. Wir würden alles geben, wenn nur wieder etwas Menschlichkeit möglich wäre."