Bochum. Die Gastronomie kämpft ums Überleben. Ein Bochumer Tapas-Lokal hat eine außergewöhnliche Strategie: Das Restaurant fertigt jetzt Schutzmasken an.

Tücher statt Tapas: Das spanische Restaurant Coco Loco schlägt einen außergewöhnlichen Weg ein, um die Corona-Krise nicht nur wirtschaftlich zu überstehen, sondern auch sinnvoll zu nutzen. Köche und Kellnerinnen haben Herd und Tablett mit Nähmaschine und Schere getauscht. Im Gastraum an der Berneckerstraße läuft eine Mundschutz-Manufaktur auf Hochtouren.

Seit 26 Jahren betreibt Pedro Villarrasa Fernandez mit seiner Familie den Bochumer Gastro-Klassiker unweit der Zeche. Tapas, Paella, Sangria & Co. begleiten die Gäste auf ihrer kulinarischen Reise quer durch Spanien.

6300 Gastro-Mitarbeiter sind betroffen

Seit Mitte März herrscht Einreisestopp. Der Betrieb ruht. Das Coronavirus sorgt für eine Zwangspause in der kompletten Gastronomie. Wie lange die dauert, ist ungewiss. Abhol- und Lieferdienste vermögen die Einnahmeausfälle kaum zu kompensieren. Etliche Wirte kämpfen um ihre Existenz.

Die meisten der laut Gewerkschaft NGG 6300 Mitarbeiter im Bochumer Gastro-Gewerbe müssen mit Kurzarbeitergeld über die Runden kommen. Das fällt in der Ausgehbranche vielfach so dürftig aus, dass die NGG eine Aufstockung von 60 auf 80 Prozent fordert.

Vom Nähen hatte niemand Ahnung

Als er die Türen schließen musste, musste auch Pedro Villarrasa Fernandez seine 16 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Über das, was wenig später geschah, staunt der 54-Jährige selbst am meisten.

"Keine Ahnung" hatten er und sein Team von der Schneiderei, von Stoffen, Garn und Gummibändern. Anders als Rita Chuchollek. Die Recklinghäuserin arbeitet als Maßschneiderei-Meisterin am Berufskolleg für Hörgeschädigte in Essen. "Mit meinen 61 Jahren zähle ich zur Corona-Risikogruppe und bin derzeit bin vom Dienst freigestellt", erzählt sie.

Berufsschullehrerin hat Zeit und Expertise

Ein gemeinsamer Freund führte Rita Chuchollek und Pedro Villarrasa Fernandez zusammen. Sie hat die Zeit und Expertise, er die Räume und das Personal. Schnell war klar: Aus dem Restaurant Coco Loco wird in Corona-Zeiten die "Manufaktur Coco Loco". Die stellt zwar nur ein Produkt her. Das aber ist gefragter denn je: Mund-Nasen-Masken für den privaten Gebrauch.

Mit der - ehrenamtlichen - Unterstützung von Rita Chuchollek wurde binnen weniger Tage die notwendige Ausstattung beschafft. Nähmaschinen wurden geliehen und gekauft; ein Baumwoll-Lieferant wurde in Holland aufgetan; die Zulieferer für Garn, Nasenbügel und Gummibänder kommen aus der Region.

Mehr als 2000 Masken wurden bisher gefertigt

Pedro Villarrasa Fernandez holte seine Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurück, setzte sich ans Telefon und betrieb Akquise. Mit Erfolg. Die Stadt Bochum, die IHK, IG Metall und die Sparkasse Essen konnten als Großkunden gewonnen werden. Die Namen von Stammgästen, Nachbarn und weiteren privaten Interessenten füllen zudem die Auftragsliste an der Pinnwand neben der Küche. Alle wollen Masken. Alle wollen helfen.

Mehr als 2000 Schutztücher wurden inzwischen gefertigt: 22 x 10 Zentimeter groß, waschbar, uni und farbig, auf Wunsch mit Firmenlogo (eine Druckerei in Gerthe ist Partner), zwischen 5,50 und 9 Euro teuer. Mehrere tausend weitere Exemplare sind geordert. Täglich von 8 bis 16 Uhr rattern die sieben Nähmaschinen, wird zugeschnitten, gebügelt und verpackt. Immer mittendrin: Rita Chuchollek, die strahlt: "Das klappt inzwischen super!"

Es bleibt der Wunsch nach Wiedereröffnung

"Es war ein Wagnis. Aber die Einnahmen decken immerhin die Lohnkosten", sagt Pedro Villarrasa Fernandez, der drei zusätzliche Näherinnen eingestellt hat und weitere Aufträge gern entgegennimmt: bei Privatkunden per Telefon (0234/77 24 17), bei gewerblichen Kunden per Mail (info@cocoloco-bochum.de).

Die Manufaktur brummt. Und doch haben der Chef und seine Mitarbeiter einen sehnlichen Wunsch: dass die Corona-Beschränkungen möglichst bald vorbei sind und das Coco Loco wieder das macht, was es noch immer am besten kann: Gäste bekochen und bewirten.