Bochum. Im Bermudadreieck Bochum steht jeder zweite Betrieb vor dem Aus, warnen die Macher der Partymeile. “Wir sind ratlos“, heißt es in einem Hilferuf.
Das Bermudadreieck in Bochum sendet einen dramatischen Hilferuf an die Politik. Jedem zweiten Betrieb auf der Partymeile drohe wegen der Corona-Krise die Insolvenz. Die Situation sei "katastrophal". Ohne schnelle und nachhaltige Unterstützung des Bundes und Landes könnte eines der bekanntesten Ausgehviertel der Republik vor dem Aus stehen.
Die Ersten werden die Letzten sein: Genau das befürchtet die Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) als Verbund der rund 100 Gastronomen und Dienstleister. Mitte März hatte das Bermudadreieck den Shutdown in seinen Clubs, Kneipen und Restaurants vorgenommen: "freiwillig, mehrere Tage vor der behördlichen Verfügung, um die Verbreitung des Virus möglichst frühzeitig einzudämmen", betont Sprecher Dirk Steinbrecher. Der Schritt war und ist bis heute vernünftig, bekräftigt die ISG. Doch nun, so zeichne sich ab, werde die Gastronomie die letzte Branche sein, in der Lockerungen vorgenommen werden.
Betrieben droht die Insolvenz
Am 30. April wollte das Dreieck mit dem "Stühle raus"-Fest traditionell die Freiluftsaison einläuten. Kein Gedanke daran. Anders als im Handel ist nicht abzusehen, wann die Lokale wieder öffnen dürfen. In zwei Wochen, wenn die Politik neu beraten will? Im Sommer? Erst im Herbst? Jeder Tag verschärfe die Not, sagt Vorstandsmitglied Christian Bickelbacher (Tucholsky, ThreeSixty). Die Einnahmen tendieren gen null. Die Kosten nagen weiter am Geschäftskonto.
Vielfach sei die Belastungsgrenze erreicht und überschritten, weiß ISG-Projektentwickler Edgar Neufeld. Auf 50 Prozent beziffert er die Quote der Betriebe, die spätestens im Mai zahlungsunfähig werden. Und selbst wenn es zeitnah wieder losgehen dürfte, sei das Schlimmste längst nicht überstanden. Die Corona-Hygieneregeln müssten strikt befolgt werden. Wo früher zwei Gäste im Restaurant saßen, säße künftig einer. Der Umsatz reduziert sich auf die Hälfte, bei 100 Prozent laufenden Verpflichtungen. Wie der Mindestabstand in Clubs und Kneipen einzuhalten wäre, sei völlig schleierhaft. "Es wird lange nichts mehr so sein, wie es war. Vielleicht sogar für ein, zwei Jahre", glaubt Edgar Neufeld.
Hilferuf im Netz: "Wir sind ratlos"
Beispiellos ist der Hilferuf, den die ISG in dieser Woche auf ihrer Homepage veröffentlichte. "Wir sind ratlos", konstatieren sie sonst so selbstbewusst auftretenden Bermuda-Akteure. Aus eigener Kraft könne die Krise nicht bewältigt werden. Förderprogramme, wie sie für weite Teile der Wirtschaft sinnvoll sind, seien in der Gastronomie kaum hilfreich: "Wir können nicht wie andere Branchen Umsätze nachholen und Kredite zurückzahlen. Die Menschen werden auch nach Corona nicht mehr essen und trinken als vorher. Das Kurzarbeitergeld greift nicht für unsere Aushilfen und Studenten."
Was kann, was muss die öffentliche Hand leisten? "Wir brauchen Staatshilfen, die nicht zurückgezahlt werden müssen", sagt Dirk Steinbrecher. Auch ein Insolvenzschutz und ein Konjunkturprogramm könnten Massenpleiten abwenden. Und: Die Mehrwertsteuer für Speisen müsse dauerhaft von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden: Geld, das die Wirte unmittelbar entlasten würde.
Oberbürgermeister sucht das Gespräch
"Ihr Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung, wir bitten Euch: Helft uns durch diese Notsituation und steht uns bei", appelliert das Dreieck mit seinen 80 Millionen Euro Jahresumsatz und rund 3000 Beschäftigten.
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) hat den Hilferuf erhört. "Ich beobachte die Situation der Gastronomie, auch im Bermudadreieck, mit Sorge", erklärt Eiskirch auf WAZ-Anfrage. Das Dreieck sei nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern auch Ausdruck des Bochumer Lebensgefühls. "Ich habe darum für die kommende Woche Vertreter aus Handel und Gastronomie eingeladen, um über die aktuelle Lage zu sprechen."
Derweil setzen die Bermuda-Gastronomen auch auf die Treue ihrer Gäste. "Wir sind ein tolles Stück Bochum - und das wollen wir mit euch zusammen auch bleiben!"