Bochum/Essen. In Essen ermittelt die Polizei gegen den Chef. Der hat nun auch in Bochum das Restaurant „Seitenblick“ geschlossen. Hochzeitspaare sind in Sorge.

Nach dem Aus in Essen hat auch das Restaurant „Seitenblick“ in Bochum-Stiepel geschlossen. „Wir haben keinen Kontakt mehr zum Pächter“, sagt Tobias Kühn, Kundenberater des Getränke-Großhandels Hartmann, dem das Traditionsgasthaus an der Gräfin-Imma-Straße gehört. Ob das plötzliche Ende wie schon in Essen zu einem Fall für die Staatsanwaltschaft wird, ist noch offen.

2015 war Dominik K. in dem historischen Natursteinbau vis-a-vis der Stiepeler Dorfkirche an den Start gegangen. Im ehemaligen Wilhelmstein hatte kurz zuvor das Restaurant „Heimat“ dicht gemacht. Mit seinem „Seitenblick“ setzte der Schwarzwälder (damals 39) mit herzhafter Kost von Flammkuchen bis Rindergulasch auf langfristigen Erfolg – so wie in Essen, nahe des Grillo-Theaters, wo K. seit 2005 das „Café Seitenblick“ führt.

Gastronom: Betrieb war nicht mehr kostendeckend

Dort ist es seit einer Woche stockduster, das Gitter der Eingangstür heruntergezogen. Ein weißes DIN-A4-Blatt erklärt in wenigen Worten: „Heute geschlossen“. Doch eine Wiedereröffnung ist fraglich. Dominik K. erklärt auf WAZ-Nachfrage, dass er das Restaurant geschlossen hat. Der Betrieb habe nicht mehr kostendeckend arbeiten können. „Die Frischeküche ist personalkostenintensiv und nicht kostendeckend. Der Umsatz blieb hinter den Erwartungen zurück.“

Ob das auch für Bochum gilt, bezweifeln Beobachter. „Das Lokal war eigentlich recht gut besucht“, schildert ein Anwohner. Gleichwohl war nahezu zeitgleich mit Essen auch in Stiepel Feierabend, wie Hartmann-Mitarbeiter Tobias Kühn bestätigt. Das Internetportal ist bereits abgeschaltet.

Das Café „Seitenblick“ in der Essener Innenstadt ist seit einer Woche geschlossen.
Das Café „Seitenblick“ in der Essener Innenstadt ist seit einer Woche geschlossen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

14 Zahlungsklagen sind eingegangen

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Geschichte, die sich als ein Fall für die Staatsanwaltschaft entpuppen könnte. Ehemalige Mitarbeiter klagen über nicht gezahlte Löhne – zuletzt in der vergangenen Woche. Im Arbeitsgericht wartet Richterin Katja Buschkröger vergebens auf Dominik K. Der ist vorgeladen, weil er einem ehemaligen Mitarbeiter noch Lohn schulden soll. Doch K. erscheint nicht. Wieder einmal. Der Richterin bleibt nur, ein Versäumnisurteil gegen den Unternehmer zu verkünden.

Diese Szenerie erleben die Richter in Essen seit Wochen. Insgesamt 14 Zahlungsklagen sind seit September 2019 eingegangen. Auch ein Handwerker meldete sich bei der WAZ. Für Arbeiten aus dem Monat Dezember fordert er noch 450 Euro von K. Lieferanten sollen zuletzt nur noch gegen Bargeld Waren ans „Seitenblick“ geliefert haben, berichtet eine ehemalige Mitarbeiterin.

Polizeieinsatz nach Streit mit Handwerker

Auf Ebay soll der Gastronom, der ein drittes Lokal in Ratingen betreibt, Teile des Interieurs veräußert haben. Kaffeemaschinen, ein Thermomix, eine Saftpresse, eine Spülmaschine sollen darunter gewesen sein. Der Handwerker gab sich auf Ebay als Interessent aus und sollte K. abends im Lokal treffen. Dort soll es zu einem verbalen Streit gekommen sein, berichtet die Polizei, die die Eingangstür versiegelte. „Wir wollten verhindern, dass weitere mögliche Wertgegenstände entfernt werden. Wir ermitteln jetzt wegen Bankrotts“, sagte eine Polizeisprecherin.

Auch Hochzeitspaare sind betroffen

Von der Schließung des Restaurants „Seitenblick“ sind auch mehrere Hochzeitspaare betroffen. Sie haben das Lokal unweit der Stiepeler Dorfkirche für ihre Feier gebucht.

„Die Reservierungen reichen bis Mitte des Jahres. Wir sind derzeit dabei, die Paare anzurufen und zu informieren“, berichtet Hartmann-Kundenbetreuer Tobias Kühn.

Den Hochzeitsgesellschaften wie auch den Ausrichtern weiterer Festivitäten (Geburtstage, Jubiläen) werde angeboten, in „Hartmann’s Wirtshaus“ an der Wasserstraße zu wechseln. „Dort gibt es noch Kapazitäten.“

Wie es mit den Mitarbeitern und den Ehemaligen weitergehen wird? Dominik K. teilt dazu mit: „Es wird ein geordnetes gerichtliches Verfahren geben. Ehemalige Angestellte können sich an die Agentur für Arbeit wenden und erhalten – ggf. auch rückwirkend – Zahlungen.“ Bis Montag jedoch hatte K. noch keine Insolvenz angemeldet.

Inhaber setzt bei Neubeginn auch auf ehemalige Mitarbeiter

In Stiepel haben Ex-Beschäftigte möglicherweise die Chance auf einen Neuanfang in eigener Regie. „Wir wollen einen schnellen Pächterwechsel“, heißt es bei Hartmann. „Dabei streben wir auch eine Lösung mit alten Mitarbeitern an.“