Bochum-Langendreer. Im Streit um verschlossene Türen beim Heiligabend-Gottesdienst räumt die evangelische Gemeinde Langendreer Fehler ein. Allerdings sehr zögerlich.

Wie viele Türen der Christuskirche in Bochum-Langendreer waren beim Heiligabend-Gottesdienst verschlossen? Darüber wird in der evangelischen Gemeinde nach wie vor diskutiert – und zwar sehr kontrovers. Die Fronten sind verhärtet, das zeigt auch eine Art „Schlichtungsgespräch“, das auf Anregung der WAZ am Freitagmorgen in der Christuskirche stattfand. Wirklich geglättet sind die Wogen am Ende nach wie vor nicht. Aber immerhin räumt die Kirchenseite letztlich doch einen Fehler ein. Wenn auch sehr zögerlich.

Wie viele Türen der Christuskirche Bochum-Langendreer waren verschlossen?

Presbyter Frank Gisselmann (links), hier im Gespräch mit dem aufgebrachten Rolf Witte, räumt ein, dass die Entscheidung der evangelischen Gemeinde Bochum-Langendreer „sicherlich unglücklich“ gewesen sei.
Presbyter Frank Gisselmann (links), hier im Gespräch mit dem aufgebrachten Rolf Witte, räumt ein, dass die Entscheidung der evangelischen Gemeinde Bochum-Langendreer „sicherlich unglücklich“ gewesen sei. © Sebastian Mazo Kohn

„Zwei Türen waren abgeschlossen“, behaupten nach wie vor Mayleen Wenks und Familie, die die WAZ darüber informiert hatte, dass ihnen und vielen anderen an Heiligabend der Zutritt zur Christuskirche verwehrt blieb. „Stimmt nicht, nur die Haupttür war zwischenzeitlich abgeschlossen. Und das auch nur kurz“, heißt es weiterhin vonseiten der Kirchengemeinde. Dass der Schlüssel umgedreht wurde, wird mit dem Sicherheitsaspekt gerechtfertigt. „Die Kirche war einfach zu voll“, sagt Pfarrer Jörg-Martin Hörner, der zugleich beteuert: „Die Sicherheit der Besucher in der Kirche war jederzeit gewährleistet.“

Was, wenn eine Panik ausbricht?

Mayleen Wenks und ihr Mann Bastian nehmen ihm das nicht ab. „Was ist, wenn eine Panik ausbricht? Kann dann schnell genug der Schlüssel umgedreht werden?“ Die beiden und ihre übrigen Familienangehörigen nehmen der Gemeinde das Verhalten an Heiligabend nicht nur wegen der Sicherheitsbedenken übel. „Eine Kirche sollte grundsätzlich allen offen stehen“, sagt Mutter Hildegard Wenks, die seit 40 Jahren in der evangelischen Gemeinde Hiltrop arbeitet und an Heiligabend regelrecht schockiert war: „Denn so etwas kenne ich von dort nicht.“

Küsterin: „Die Leute drängen immer weiter hinein“

„Wenn mir die Kirche zu voll ist, kann ich ja selbst entscheiden, ob ich bleibe oder wieder gehe“, sagt Hildegard Wenks weiter. Küsterin Bärbel Kenig-Koopmeiners sieht das anders: „Die Leute drängen immer weiter hinein, das wissen wir aus Erfahrung.“ Rolf Witte, der zu Familie Wenks gehört, kann die Not der Gemeinde in so einem Moment nachvollziehen, nicht aber, dass eine Kirche dann abgeschlossen wird.

Es steht Aussage gegen Aussage

Ihn ärgert, dass die Gemeinde bei ihrer Version bleibt, die Seitentür zur Alten Bahnhofstraße hin sei nicht verriegelt gewesen. „Das stimmt einfach nicht. Ich habe mehrfach daran gerüttelt – sie war abgeschlossen.“ Der Rest der Familie pflichtet ihm bei. Das Argument der Kirche, die alte Tür klemme und sei schwer zu öffnen, wird an diesem Freitagmorgen widerlegt – mit ein klein wenig Kraftaufwand ist sie ohne größere Probleme zu öffnen.

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Herbe Enttäuschung für viele Kinder

Angezweifelt wird auch die Aussage der Gemeinde, das Hauptportal sei nur für fünf Minuten verschlossen gewesen. „Um 16.15 Uhr waren wir an den Flügeltüren und kamen nicht hinein“, schildert Mayleen Wenks die Situation an Heiligabend. „Kurz darauf sind wir zum Seiteneingang und kamen auch dort nicht hinein. Um Halb sind wir dann gefahren.“ In gedrückter Stimmung, denn für Familie Wenks und Anhang zählt der Gottesdienstbesuch an Heiligabend einfach dazu. Mayleen Wenks tut es vor allem für viele Kinder leid, die ebenfalls mit ihren Familien nicht in die Christuskirche gelassen wurden. „Unsere beiden Söhne sind noch zu klein, um das zu verstehen. Aber für größere Kinder war das sicher eine herbe Enttäuschung.“

Vorschlag: Übertragung über Lautsprecher

„Mit Entsetzen und fast ungläubiger Betroffenheit“ reagierte WAZ-Leserin Sabine Liu, als sie von den Geschehnissen an der Christuskirche an Heiligabend in ihrer Zeitung las. Sie sieht es positiv, dass die Gemeinde an diesem Tag so viele Gottesdienste anbieten. Jede Familie müsse sich die Uhrzeit für den passenden Gottesdienst selber aussuchen dürfen, „ohne wegen ,Überfüllung der Kirche’ vor verriegelter Tür zu stehen oder durch ein angebrachtes Schild zum Heimgehen aufgefordert zu werden“. Dies sei eine absolut nicht wünschenswerte, sehr enttäuschende, frustrierende Maßnahme für alle Beteiligten und darüber hinaus wohl auch kaum „im christlichen Sinne“.

Sabine Liu schlägt für die Zukunft vor, die Türen weit geöffnet zu lassen. „Mit dem Hinweis auf eine Übertragung über Lautsprecher könnten alle draußen auf dem Platz vor der Kirche Verbliebenen am Geschehen im Kirchenraum dennoch gemeinschaftlich teilhaben – vielleicht ja sogar mit einem gratis Becher Tee, um sich etwas warm zu halten. Einer festlichen, weihnachtlichen Stimmung in enger Gemeinschaft mit allen anderen Gläubigen dürfte doch auf solche Weise nichts im Wege stehen.“

Enttäuscht ist Mayleen Wenks, dass sie bei der Gemeinde nach dem Vorfall keinerlei Einsicht ausmacht. Diese tritt zumindest zum Ende des Treffens in der Christuskirche am Freitagmorgen zutage. „Unsere Entscheidung war sicherlich unglücklich“, gesteht Presbyter Frank Gisselmann in der Runde ein. „Wir bedauern diesen Vorgang sehr und wollen aus dieser Erfahrung lernen. Auch wir finden natürlich, dass die Kirche jedem offen steht.“

Mehr Andrang durch die Schließung der Pauluskirche

Laut Gisselmann sei Heiligabend deutlich mehr los gewesen als sonst, weil die Pauluskirche in der Zwischenzeit geschlossen wurde. „Somit stehen für Gottesdienste in Langendreer nur noch die Christuskirche und die Michaelkirche zur Verfügung.“

Gemeinde berät nun mögliche Änderungen

In der Gemeinde will man nun überlegen, wie die nächsten Heiligabendgottesdienste in der Christuskirche reibungsloser verlaufen können. Frank Gisselmann denkt da spontan an Platzreservierungen, eventuell auch an „Türsteher“, die an den Eingängen für einen geregelten Ablauf sorgen. „Wir werden das jetzt alles in Ruhe besprechen.“