Bochum. Der Bildhauer Erich Reusch starb mit 94 Jahren. In Bochum hat er viele Spuren hinterlassen, etwa mit der Außengestaltung des Museums unter Tage.
Die Kunstwelt trauert um Erich Reusch, der am Sonntag im Alter von 94 Jahren starb. Zumal in Bochum hat der aus Wittenberg stammende Künstler markante Spuren hinterlassen.
Reusch zählt zu den bekanntesten Bildhauern in Deutschland, seine oftmals für den Außenbereich ausgeführten Plastiken waren Kunstwerke und Nutzobjekte zugleich. Besonders augenfällig wird das an einer Arbeit, die Reusch ab 1965 für die eben entstandene Ruhr-Universität realisiert.
Biografische Daten
Erich Reusch (1925-2019) studierte an der Hochschule für Bildende Künste Berlin. Von 1956 bis 1964 war er als freischaffender Architekt in Düsseldorf tätig. Ab 1964 wandte er sich zunehmend der Bildhauerei zu.
1975 wurde er zum Professor an der Kunstakademie Düsseldorf ernannt und auf den Lehrstuhl „Integration Bildende Kunst und Architektur“ berufen. Mit einer großen Bodenplastik war Reusch 1977 an der Kunstschau documenta 6 in Kassel beteiligt.
1990 wurde Erich Reusch emeritiert, 2010 zum Ehrenmitglied der Kunstakademie Düsseldorf ernannt. Der Künstler lebte und arbeitete in Neuenrade/Sauerland.
Gemeint ist seine „Treppenlandschaft“ auf dem Campus zwischen Uni-Bibliothek/Kunstsammlungen und Audimax. Die steinernen Stufen werden gern als Sitzgelegenheit genutzt; tatsächlich ist das Gebilde aber auch ein Brunnen, in dem unterirdisch Wasser rauschte.
Das ist allerdings schon länger nicht mehr der Fall; wegen technischer Probleme steht der Brunnen still. Der optische Eindruck aber bleibt: eine „Landschaft in der Landschaft“, die sich auf das spröde Ambiente der Ruhr-Universität Bochum einlässt, mit ihm kommuniziert und einen eigenen Akzent setzt.
Abstrakte Farbtafeln
Eng verbunden bleibt Reuschs Name mit dem Museum unter Tage (MuT) und der „Situation Kunst“ im Schlosspark Weitmar. Aktuell sind unter anderem großflächige, abstrakte Farbtafeln des Verstorbenen in der Wechselausstellung „Farbanstöße“ im MuT zu sehen. Ständig präsent ist dagegen Reuschs Außenraum-Gestaltung der Oberfläche des Museums unter Tage, das gegenüberliegend zum „Kubus“ Haus Weitmar entstand.
Die unterirdische, sieben Meter tiefe Platzierung des Museums gewährleistete die aus Architektensicht bestmögliche Integration des Gebäudes in die Parklandschaft. Lediglich drei Pavillons sind oberirdisch zu sehen; nähert man sich von der Hattinger Straße, erlebt man eine direkte Sichtachse zum Kubus.
Zylindrische Säulen aus Stahl
Der oberirdische Bereich wurde von Reusch künstlerisch akzentuiert. Er setzte fünf zylindrische Stahlsäulen (zwei signalrote, zwei schwarze und eine cyanblaue) auf den Splitboden. Mit dieser Gestaltung soll die Verbindung zu den sich bereits im Park befindenden Skulpturen geschaffen werden; es sind hier Werke u.a. von Lee Ufan, Francois Morellet, David Rabinowitch, Ulrich Rückriem, Richard Serra, Giuseppe Spagnulo und von Erich Reusch selbst zu sehen.
Retrospektive im Sommer
Reusch hatte aus künstlerischen, aber auch aus persönlichen Gründen eine Verbundenheit mit Weitmar. „Seit einigen Monaten arbeiteten wir mit ihm an der Vorbereitung seiner für Sommer geplanten Retrospektive. Wir waren von gespannter Vorfreude erfüllt, in Erwartung seiner einzigartigen Fähigkeit für die Installation seiner Ausstellungen, für die Erschaffung neuer, unerwarteter Räume“, sagt Maria Spiegel, Kuratorin im Museum unter Tage. Das kann nun, nach dem Tod des Künstlers, so nicht mehr geschehen. „Dennoch soll versucht werden, dem herausragenden Werk von Erich Reusch in dieser Ausstellung gerecht zu werden“, so Spiegel.
Phänomen des Raumes
„Der Raum ist das Ereignis“ hatte Reusch seine letzte Einzelausstellung 2012 im Museum Situation Kunst/Kubus überschrieben. In der erwähnten aktuellen Präsentation „Farbanstöße“ weisen vier seiner Werke Wege „auf der Suche nach dem unendlichen Raum“ – die Beschäftigung mit dem Phänomen des Raumes war ein Ansinnen, das der Künstler immer wieder aufs Neue variierte.
So seit den 1970er Jahre in Bodenplastiken, die bedeutsam waren, weil er sich mit ihnen von der überkommenen Vorstellung „Skulptur auf dem Sockel“ löste und eine Orientierung der Kunst in die Vertikale anstrebte.
Minimalistisch gefasst
Minimalistisch gefasst, werden bei diesem Vorgehen mehr oder weniger flacher Elemente, die asymmetrisch über ein Areal verstreut sind, zur bestimmenden Größe der Horizontalen. Wie das in natura aussieht, lässt sich an der Brunnenplastik „Tränende Augen“ ablesen, die Erich Reusch in den 1980er Jahren zwischen Rathaus und BVZ gestaltete.
Die Bodenscheiben fordern, aus wasserkreiselnden Ruhe heraus, den Betrachter zum Umschreiten auf und verstärken damit seine Selbstwahrnehmung im Raum. Für den Künstler Reusch lag genau darin die Herausforderung: Durch seine Werke eine mögliche Perspektive im unendlichen Raum zu sehen. Oder sie wenigstens zu suchen.