Bochum-Wattenscheid. Studierende der Hochschule für Gesundheit Bochum sind in der Tagespflege aktiv. Interdisziplinärer Ansatz soll Senioren den Alltag erleichtern.

Theorie wird zur Praxis. Perspektiven werden gewechselt, Kompetenzen gebündelt, um den steigenden Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft auch künftig gerecht zu werden. Studierende der Hochschule für Gesundheit (HSG) Bochum möchten in der Awo-Tagespflege in Wattenscheid-Leithe gemeinsam und interdisziplinär neue Strategien entwickeln, um vor allem Senioren den häuslichen Alltag zu vereinfachen und ihre Selbstständigkeit zu unterstützen.

46 Gäste, die meisten zwischen 70 und 90 Jahren alt, nehmen das Angebot der Tagespflege an der Schulstraße 16 war. Die Zahlen schwanken immer mal, sagt Leiterin Sonja Börner: „Unser Ziel ist es, dass die Senioren möglichst lange in ihrem häuslichen Umfeld verbleiben können. Dafür bieten wir ihnen von 8 bis 16 Uhr eine Tagesstruktur und verschiedene Betätigungsmöglichkeiten, möchten so auch Angehörige entlasten.“

Perspektivwechsel helfen

Sonja Börner (l.), Leiterin der Awo-Tagespflege in Wattenscheid, und Renée Oltman, Professorin an der Hochschule für Gesundheit, informieren über das Gemeinschaftsprojekt.
Sonja Börner (l.), Leiterin der Awo-Tagespflege in Wattenscheid, und Renée Oltman, Professorin an der Hochschule für Gesundheit, informieren über das Gemeinschaftsprojekt. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann


Das gemeinsame Projekt mit der HSG bezeichnet Börner als Win-Win-Situation: „Wir profitieren vom fachlichen Wissen der Studierenden, die hier wiederum den Theorie-Praxis-Transfer erleben können. Ganz wichtig sind die Perspektivwechsel.“ Zwischen den Mitarbeitern der Tagespflege – Kranken- und Altenpfleger, Kranken- und Altenpflegehelfer sowie Betreuungsassistenten – und den Studierenden sowie unter den Hochschülern der Studiengänge Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie selbst.

15 Studentinnen sind in Leithe aktiv. HSG-Professorin Renée Oltman (Ergotherapie): „Sie alle sind bereits examinierte Therapeutinnen, aktuell im letzten Fachsemester und sie schreiben an ihren Bachelorarbeiten.“ Die Einsätze vor Ort seien vieles, nur nicht typisch: „Gemeinsam werden Bedarfe mit den Gästen und Angehörigen festgestellt und entsprechende Angebote erstellt.“ Interdisziplinär. „Nur so können wir den zukünftigen Herausforderungen gerecht werden. In Teilen wird dies schon praktiziert, es ist allerdings noch keine Selbstverständlichkeit“, sagt Professorin Oltman.

Austausch mit Angehörigen

Bedarf habe sich unter anderem in zwei Bereichen herauskristallisiert. Schluckstörungen (Dysphagie) und Probleme beim Treppensteigen im häuslichen Umfeld wurden erkannt oder von Angehörigen vermehrt angesprochen. Auch mit Familienmitglieder sucht man den Austausch. Zunächst über Fragebögen, bald wieder in Gesprächen. So möchte man über neue Erkenntnisse positive Effekte bewirken, die den Gästen langfristig zugutekommen sollen.

Interdisziplinär arbeiten

Als funktionierendes Beispiel der übergreifenden Zusammenarbeit hat sich die Dysphagie-Beratung hervorgetan. Studentin Saskia Fischer (Logopädie) berichtet: „Wir haben uns gefragt, was wir gemeinsam bewirken können. Haltung ist im Bereich Physiotherapie wichtig, Hilfsmittel beim Essen und Trinken kommen aus der Ergotherapie und die Logopädie beschäftigt sich vor allem mit der Diagnostik und Therapie.“

Alena Drews (Ergotherapie) führt aus: „Beim Essen wurden rutschfeste Tisch-Sets benutzt, die beim einhändigen Schneiden unterstützen. Ebenfalls hilfreich sind Besteck mit dickerem Griff, da es einfacher zu halten ist, und Trinkbecher mit Nasenausschnitt.“ Gleichzeitig wird eine richtige Körperhaltung am Tisch unterstützt, das Schlucken von Speisen und Flüssigkeit so erleichtert. Saskia Fischer: „Selbständigkeit ist sehr wichtig. Gerade beim Essen geht es nicht nur um die Nahrungszufuhr, sondern auch um Geselligkeit und Genuss.“

Erkenntnisse unterstützen Gäste

Konfrontiert werden die Gäste mit Diagnosen nicht, erklären die Studentinnen. Nicola Bruckmann (Physiotherapie): „Wir beobachten und beurteilen eher passiv. Wenn wir Probleme erkennen, erstellen wir Beratungspunkte für Angehörige und das Personal vor Ort und geben den Gästen Tipps.“

Auf den interdisziplinären Ansatz werde man zwar im Studium vorbereitet, allerdings eher theoretisch, befinden die Studentinnen. Der praktische Austausch schaffe jedoch neue Zusammenhänge und Einblicke, die im zukünftigen Arbeitsleben größere Erfolge für die betreuten Personen ermöglichen können.