Bochum. Im Prozess wegen illegalen Aufspritzens von Lippen wird an diesem Mittwoch das Urteil erwartet. Anklage fordert vier Jahre Haft für 29-Jährige.
„Ich habe das Schlimmste am Ende mir selber angetan“, sagte die Angeklagte in ihrem „letzten Wort“ vor dem Urteil. Die 29-jährige Bochumerin hatte jahrelang die Lippen, Nase und Kinn von Tausenden Kundinnen und Kunden aufgespritzt, ohne eine Lizenz als Heilpraktikerin oder Ärztin zu haben. Gleichzeitig wurden die Einnahmen von laut Anklage 780.000 Euro nicht versteuert. Dafür soll sie vier Jahre in Haft, forderte Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann am Donnerstag vor dem Landgericht.
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Seit sieben Monaten sitzt die Familienmutter in U-Haft. Noch in diesem Monaten erwartet sie die Geburt ihres zweiten Kindes. Sie weinte, als sie vor Gericht davon erzählte. Ihre Kinder würden unter der Situation leiden. Ihr Verteidiger Volker Schröder sagte: „Ich finde es unerträglich, dass sie ein Kind gebären soll, während sie noch in Haft sitzt.“ Möglicherweise wird sie aber nach dem Urteil an diesem Mittwoch vorläufig freigelassen.
„Hygienische Bedingungen waren überhaupt nicht gegeben“
Mit ihren Schönheitseingriffen hatte die Angeklagte, die sich das Spritzen mit Hyaluronsäure selbst beigebracht hatte, großen Erfolg. Auf ihrem Instagram-Profil machte sie mächtig Werbung dafür. Die meisten Kundinnen waren offenbar zufrieden. In mindestens 36 Fällen aber gingen die Behandlungen, die in ihrer Privatwohnung im Bochumer Südosten stattfanden, gründlich schief.
„Hygienische Bedingungen waren überhaupt nicht gegeben. Das Ganze ist überhaupt nicht fachmännisch passiert“, sagte Bachmann. „Nach Gutdünken.“ Durch die Injektionen seien die Kunden verletzt worden, teilweise so sehr, dass sie mehrere Tage im Krankenhaus lagen. „Sie haben Ihre Kunden angelogen. Sie haben ihnen vorgemacht, Sie seien Heilpraktikerin.“ Die Kundinnen erlitten Schmerzen, Schwellungen, Blutergüsse, Verfärbungen, Blutungen, Schwindel und Ähnliches. Bachmann sagte, sie sei „recht skrupellos“ über Beschwerden der Opfer hinweggegangen.
Keinerlei Buchführung, keine Steuerzahlungen - Motivlage "Geldsucht"
Außer wegen gefährlicher Körperverletzung soll die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden. Alle Einnahmen kassierte sie in bar und komplett schwarz. Sie legte auch keine Buchführung an. Wo das Vermögen geblieben ist, verrät sie nicht. Bachmann: „Motivlage war Geldsucht.“
Die Angeklagte widersprach aber: „Es ging nicht nur um Geld, sondern auch um Instagram. Man hatte einen guten Ruf und wollte den behalten.“
Die Angeklagte war bereits 2018 wegen eines misslungenen Schönheitseingriffs an der Nase eines Mannes verurteilt worden; sechs Monate Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körverletzung. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Auch eine Unterlassungsaufforderung des Gesundheitsamtes soll sie in den Wind geschlagen haben.
Auch ihre Cousine (26) ist in einem eigenen Prozess in Bochum wegen gleicher Vorwürfe angeklagt. Auch sie muss eine mehrjährige Haftstrafe befürchten.