Bochum. Die monatelange U-Haft setzt der Bochumerin (26), die ohne Lizenz massenhaft Lippen aufgespritzt haben soll, arg zu. Das hat ihr Anwalt erklärt.

Seit Anfang April sitzt die 26-jährige Bochumerin, die ohne Lizenz die Lippen von vielen Hundert Kundinnen und Kunden aufgespritzt und 34 davon durch unsachgemäßes Vorgehen verletzt haben soll, in U-Haft. Am Dienstag äußerte ihr Verteidiger, wie sehr sie unter den Bedingungen der Haft leide.

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Nach außen wirke sie taff, sagte ihr Verteidiger Oliver B. Gaertner, tatsächlich setzte ihr die Haft arg zu. Zum Verhandlungstag am Dienstag wurde sie morgens um 8 Uhr aus der JVA Gelsenkirchen vorgeführt. Der Beginn der Sitzung war auf 12 Uhr terminiert. Tatsächlich begann sie aber erst um 13.20 Uhr. Alle diese Stunden, so die Verteidigung, habe die Angeklagte in einer winzigen Vorführzelle ohne Buch oder Zeitung warten müssen. Solche Medien seien ihr aus Sicherheitsgründen verwehrt worden, weil man darin Nachrichten von Mitgefangenen austauschen könne.

Verteidiger: Richter sollen die Haftbedingungen etwas lockern

Normalerweise sitzt die mutmaßliche Betrügerin in der JVA Köln. Vor den elf angesetzten Prozesstagen in Bochum, die bis zu zwei Wochen auseinanderliegen, wird sie jeweils wenige Tage zuvor in die JVA Gelsenkirchen verlegt. Dort gelten für sie verschärfte Sicherheitsbedingungen, weil dort auch ihre Bochumer Cousine (29) einsitzt, die sich wegen gleichgelagerter Vorwürfe in einem eigenen Prozess in Bochum verantworten muss. Beide dürfen in der JVA nicht aufeinandertreffen.

Das Gericht prüft jetzt den Antrag der Verteidiger, dass die Haftverhältnisse etwas gelockert werden. Ob das aber passiert, ist völlig offen.

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Die Angeklagte hätte zwar die Chance, noch vor einem Urteil von einer weiteren U-Haft verschont zu bleiben. Das hat Richter Dr. Markus van den Hövel am Dienstag signalisiert. Dafür aber müsste sie einen deutlichen Teil des Steuerschadens begleichen. Allein die hinterzogenen Umsatzsteuern sollen rund 135.000 Euro betragen. Bisher hat die Angeklagte aber keinen Cent bezahlt, obwohl sie mit den Lippen-Behandlungen 1,3 Millionen Euro verdient haben soll – schwarz. Wo das Geld geblieben ist, sagt sie nicht.

Ankläger besteht auf Vernehmung aller 34 Geschädigten

Der Prozess ist bis 28. November terminiert. Ob das aber reicht, ist zweifelhaft. Anders als Verteidiger und Richter, die sich keinen neuen Erkenntnisgewinn versprechen, besteht Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann darauf, sämtliche 34 Geschädigte als Zeugen zu hören. Bisher sind nur zwölf Geschädigte vor Gericht vernommen worden. Der Ankläger will sich einen persönlichen Eindruck von allen verschaffen. Und: „Ich möchte andere Fragen als die Polizisten stellen.“

Im Prozess steht eine Haftstrafe zwischen drei und fünf Jahren im Raum. Nach einem Urteil ist der Fall aber noch nicht abgeschlossen. Bachmann ermittelt gegen die Angeklagte noch in einem zweiten Verfahren wegen weiterer illegaler Lippen-Aufspritzungen. Dabei geht es um rund 100 Geschädigte und Steuerhinterziehung.