Bochum. Die Performance „Dying Together“ erinnert an einige der größten Katastrophen der letzten Jahre. Die Zuschauer müssen sich drauf einlassen können.
Im Oktober 2013 sinkt ein Boot mit Flüchtlingen vor der Insel Lampedusa, mehr als 360 Menschen ertrinken. März 2015: Ein Germanwings-Flug von Barcelona nach Düsseldorf wird vom Co-Piloten in die französischen Alpen gesteuert und zerschellt an einem Berg. 150 Menschen sterben. Im November 2015 schießen drei Männer im Konzertsaal Bataclan in Paris um sich. 93 Menschen sterben.
Allen drei Ereignissen ist der kollektive Tod von Menschen gemeinsam. Die niederländische Regisseurin Lotte van den Berg beschäftigt sich in ihrer Performance „Dying Together“ mit diesem Thema. Beide Teile ihrer Arbeit unter dem Titel „Menschen“ und „Erde“ hatten am Wochenende in der Zeche Eins des Schauspielhauses Premiere.
Dies ist kein normaler Theaterabend
„Dying Together“ ist kein normaler Theaterabend: Inwiefern es sich überhaupt um Theater handelt, sei in Frage gestellt. Das Publikum sieht nicht bloß zu, sondern ist fester Bestandteil dieser Performance, wird aktiv zum Mitmachen aufgefordert.
Lotte van den Berg nutzt dafür die psychoanalytische Methode der sogenannten „Familienaufstellung“. In diesem therapeutischen Verfahren werden Personen stellvertretend für Mitglieder einer Familie eines Klienten in einem Raum positioniert, um die Beziehungen untereinander zu erforschen. In van Bergs Arbeit funktioniert das ähnlich. Die Performer gehen auf die Zuschauer zu und bitten sie, beteiligte Personen der Unglücke zu repräsentieren und führen sie zu einem bestimmten Platz im Raum. Von dort aus können die Gäste dann agieren.
Am Ende macht fast jeder Zuschauer mit
Die Katastrophen dienen dabei nicht nur als Hintergrund. Sorgfältig recherchierte Fakten zu den Unglücken werden so emotionslos wie möglich vorgelesen, während die Zuschauer sich ausschließlich durch Bewegung dazu verhalten können.
Zwar wird jeder Besucher dazu eingeladen mitzumachen, er muss aber nicht. Am Ende sind dann doch fast alle dabei, verteilt im Raum, haben sich ihre Positionen gesucht, haben auf ihre Weise reagiert. Manche stehen zusammen, manche berühren sich, manche sitzen isoliert in einer Ecke.
Die Arbeit von Lotte van den Berg wird polarisieren, soviel ist sicher. Der Abend ist so politisch wie persönlich und eröffnet neue Sichtweisen auf das Miteinander. Doch er erfordert vom Publikum auch etwas Mut, sich darauf einzulassen.
Dauer: ca. 100 Minuten. Die Regisseurin lädt im Anschluss zum Gespräch ein. Wieder am 11., 12. und 13. Oktober in der Zeche Eins (Prinz-Regent-Straße 50-60). Karten: 0234 / 33 33 55 55.