bochum. In Bochum gelingt den Absolventen der Folkwang-Uni starkes Theater. „Was glänzt“ ist eine harte Abrechnung mit unserer Ellenbogengesellschaft.

Viele Jahre fährt man jetzt schon zur Zeche Eins, man erlebt hier spannendes Figuren- und bahnbrechendes Tanztheater, man freut sich über waghalsige Experimente. Doch so perfekt verwandelt sah man den legendären Raum an der Prinz-Regent-Straße noch nie. Für die Uraufführung von „Was glänzt“ hat Bühnenbildnerin Bettina Pommer ganze Arbeit geleistet. Sie installierte in die Zeche Eins eine komplette Turnhalle.

Alles ist da: Der quietschende Hallenboden, die verwirrenden Linien auf dem Spielfeld, die Anzeigentafeln, die Hochsitze der Schiedsrichter, die Trinkflaschen. Beinahe meint man sogar, den typischen Turnhallen-Mief zu riechen. Und mittendrin: Zehn schwitzende Sportler in weißer Kleidung, die im Takt der Trillerpfeifen geheimnisvollen Kommandos gehorchen.

Mit „Was glänzt“ von Gerhild Steinbuch legt der vierte Jahrgang der Schauspielstudenten am Folkwang-Theaterzentrum seine Abschlussarbeit vor. Das ist eigentlich in jedem Jahr fürs Publikum und für die jungen Schauspieler eine dankbare Sache. Die Zuschauer lassen sich von den schwungvollen Aufführungen gern verzaubern, während den Eleven die Freude darüber anzumerken ist, auf großer Bühne ihr Talent zu zeigen.

Szene aus „Was glänzt“.
Szene aus „Was glänzt“. © Birgit Hupfeld

Trainingszeit ist Leistungszeit

Doch diesmal liegt der Fall etwas komplizierter. Denn statt den Absolventen wie früher üblich eher leicht verdauliche Kost zu gönnen, gleicht „Was glänzt“ einem Brocken. Das Stück ist eine reine Kopfgeburt ohne erkennbare Handlung, ein Ungetüm, das den Schauspielern im Laufe des rund 100-minütigen Spiels alles abverlangt – zumal der Text über weite Strecken chorisch gesprochen wird.

Die Turnhalle, soviel wird klar, ist eher ein symbolischer Ort, den die österreichische Autorin für eine beißende Abrechnung mit unserer Ellenbogengesellschaft nutzt. „Trainingszeit ist Leistungszeit“, heißt es auf der Bühne gern – und wer sich diesem Gebot nicht unterordnet, wer Schwäche zeigt und Ängste zulässt, hat verloren.

Unter der Zuschauern ist auch Johan Simons

So treten inmitten der Trimm-dich-Übungen und der Ballspiele immer wieder Spieler hervor, die nicht mehr können, denen der Wahnsinn des Alltags schon lange über den Kopf wächst. „Wer nicht untergehen will, der muss mehr sein als eins.“ Solche Durchhalte-Parolen werden beinahe sklavisch wiederholt.

Steinbuchs Text ist in Gänze kaum zu entschlüsseln, und das ist wohl auch gar nicht gewollt. Wie Regisseur Philipp Becker seine jungen Spieler auch trotz hoher Hürden zu einer wunderbar geschlossenen Ensembleleistung treibt, zeugt von viel Arbeit und einigem Können. Seine Inszenierung ist bis zur letzten Sekunde genau gearbeitet. Die Zuschauer spenden großen Jubel. Unter ihnen auch Intendant Johan Simons, dem nicht entgangen sein wird, welch vielversprechende Jungdarsteller gerade die Folkwang-Uni verlassen.

Wieder am 7., 8., 9., 10., 12., 14. und 15. März. 0234 / 33 33 55 55.

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Hanne Höppner: „Wir sitzen an einem Basketballfeld, auf dem zehn junge Menschen auf gerufene Kommandos hin durcheinanderlaufen. Schnell wird klar: Es handelt sich um einen Wettkampf, ein Ausscheidungsspiel. Herrlich, wie engagiert und körperlich diese junge Truppe agiert. Es wird nie langweilig, den einzelnen Akteuren beim Kampf um ihre Identität und ihren Platz in der Welt zuzusehen. Es ist beruhigend für mich zu sehen, dass sich diese doch sehr behütet aufgewachsene Generation – jedenfalls hier – so kritisch und besorgt Gedanken um Gerechtigkeit, Sensibilität, Isolation und Zukunft macht.“

Edgar Zimmermann: „Den jungen Schauspielschulabsolventen werden Höchstleistungen abverlangt an Schauspiel, Sprech-und Tanzkunst, und sie erfüllen diese mit Bravour. Keiner der jungen Leute zeigt dabei irgendwelche Schwächen, die Regie vielleicht ein paar Längen. Doch auch die Zuschauer müssen intellektuell Großes leisten, indem sie die vielen Versatzstücke innerhalb des Stücks zu einem schlüssigen Inhalt zusammenführen. Am Ende wird dem Publikum der Spiegel vorgehalten. Ein Lob auch dem gelungenen Bühnenbild in dem eigentlich kargen Raum der Zeche Eins.“