Bochum. Mit „Geschichten aus dem Wiener Wald“ kehrt Karin Henkel zurück. Eine sehenswerte Videoinstallation spielt mit der Natur und ihren Abgründen.
Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wiener Wald: Mit dem berühmten Volksstück von Ödön von Horváth ist am Donnerstag im Schauspielhaus die neue Spielzeit eröffnet worden. Das Publikum im ausverkauften Saal spendet dem durchweg glänzenden Ensemble und der an alte Wirkungsstätte zurückgekehrten Regisseurin Karin Henkel langen Beifall und einige „Bravo“-Rufe. Die Premiere kommt gut an, der Saisonstart an der Königsallee scheint geglückt.
Ödön von Horvath erzählt in seinem 1931 uraufgeführten Drama so süffisant wie bitterböse eine Geschichte von zeitloser Kälte: Das Wiener Mädel Marianne, ein „armes Hascherl“, taumelt zwischen mehreren Männern, einem hartherzigen Vater und einer schonungslos verlogenen Gesellschaft dem Untergang entgegen. Ihr Schicksal berührt, auch wenn in Karin Henkels Inszenierung vieles aus dem Gruselvarieté stammt (siehe Kritik auf der Kulturseite im Mantelteil).
Rückkehr nach 17 Jahren
Für die Regisseurin scheint die Rückkehr ans Schauspielhaus eine Herzenssache zu sein, denn sie hat der Bühne eine Menge zu verdanken. Der frühere Intendant Leander Haußmann holte die damals 25-Jährige für eine ihrer ersten Regiearbeiten nach Bochum. Ihre Inszenierung von „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ mit Ezard Haußmann, Traute Hoess und dem jungen Peter Jordan war für Henkel 1995 Riesenchance und Startschuss für eine imposante Karriere. Mit „Kinder der Sonne“ (2001) und „Vier Bilder der Liebe“ (2002) kehrte sie später während der Jahre von Matthias Hartmann noch einmal zurück. Seither inszeniert sie regelmäßig an großen Bühnen in Hamburg, Zürich und Berlin mit regelmäßigen Einladungen zum renommierten Berliner Theatertreffen.
Videoinstallation im „Oval Office“ bis 3. November zu sehen
Der Künstler Julian Rosefeldt erhielt große Anerkennung für seine Installation „Manifesto“, die 2016 im Rahmen der Ruhrtriennale im Landschaftspark Duisburg-Meiderich zu sehen war. Darin verkörperte Hollywood-Star Cate Blanchett auf 13 Leinwänden unterschiedliche Frauen.
Die Videoinstallation „Meine Heimat ist ein dunkles, wolkenverhangenes Land“ ist bis 3. November im Oval Office zu sehen. Dauer: ca. 20 Minuten. Die Videos laufen in Dauerschleife. Wann man dazu stößt, spielt keine Rolle. Geöffnet dienstags bis sonntags von 17 bis 22.45 Uhr. Eintritt frei.
Eine ganze Reihe von Schauspielern wie Lina Beckmann und Marc Oliver Bögel, die Henkel aus ihrer Bochumer Zeit kennen, lassen sich die Premiere vom „Wiener Wald“ heuer nicht entgehen. Auch Jens Harzer (ab Januar der neue „Iwanow“ in Johan Simons’ Regie) beobachtet das bunte Treiben aus Reihe sieben.
Neben versierten Ensemble-Kräften wie Bernd Rademacher, Karin Moog und Thomas Anzenhofer (schön, dass er wieder da ist!) gibt es auf der Bühne auch einige (Wieder-)Entdeckungen. Die fabelhafte Marina Galic ist als Marianne eine Wucht. Wem der Name irgendwie bekannt vorkommt: Man muss im Theaterarchiv lange zurückblättern, um auf ihren letzten Bochumer Auftritt vor 17 Jahren in „Vier Bilder der Liebe“ zu stoßen. Mit Marius Huth stellt sich ein neues Mitglied im Ensemble vor: Sein knabenhafter Nachwuchs-Faschist in viel zu kurzen Hosen ist prägnant, den Namen sollte man sich merken.
Neue Videoinstallation im Oval Office spielt mit der Natur
Zwei Stunden vor der Premiere ist im „Oval Office“ eine neue Installation eröffnet worden. Seit Beginn der Intendanz von Johan Simons wird der Theaterkeller für wechselnde Kunst-Aktionen genutzt, die auf ein interessiertes Publikum stoßen. Das „Oval Office“ ist zur Eröffnung bestens gefüllt.
Diesmal ist unter dem Titel „Meine Heimat ist ein düsteres, wolkenverhangenes Land“ eine Videoinstallation des Münchner Künstlers Julian Rosefeldt zu sehen, die einen Besuch definitiv lohnt. Auf vier großen Leinwänden, die gleichzeitig in Dauerschleife bespielt werden, widmet er sich dem Thema Natur – dies aber nur scheinbar auf verklärt romantische Weise.
Wie aus einem Gemälde von Caspar David Friedrich
Während einige Szenen, die u.a. im Teutoburger Wald und am Hermannsdenkmal gedreht wurden, tatsächlich wie aus einem Gemälde von Caspar David Friedrich entsprungen zu sein scheinen, wird die Idylle immer wieder keck aufgebrochen. Imposant ist es, wie Rosefeldt den Sound, der von jeder Leinwand separat kommt, zu einem großen Klangteppich verwoben hat.
„Ich hatte schon immer ein ambivalentes Verhältnis zur Natur“, erzählt der 54-jährige Künstler bei der Eröffnung aus seiner Kindheit in den bayrischen Bergen. Der „deutschen Eiche“ als Metapher für Stärke misstraue er ebenso wie dem Heimatbegriff, dem er selbstkritisch gegenüber steht: „Man kommt ja hierzulande schwer damit klar, Heimat rein positiv zu empfinden, ohne gleichzeitig auch die Kehrseite der Medaille zu sehen“, sagt er.
„Denk ich an Deutschland in der Nacht...“: Aus Heinrich Heines berühmten „Nachtgedanken“ stammt eine Passage, die Theaterstar Lars Eidinger auf einer der vier Leinwänden geradezu entfesselt vorträgt. Dazu rattert die Kettensäge.