Bochum/Herne. Am 2. September 1989 wurde die U-Bahn 35 zwischen Bochum und Herne eröffnet. 30 Jahre später zählt sie zu den meistbenutzten im Ruhrgebiet.
Zwei Minuten muss man einkalkulieren, der Weg zur U 35 ist nicht gerade kurz: Auf der Huestraße geht’s die Treppe hinab, man gelangt in ein Zwischengeschoss, dann, eine Etage tiefen, an die Haltestellen der Straßenbahn, um schließlich per Rolltreppe nochmals abwärts zu gleiten, bis man endlich die Bahnsteige der U 35 erreicht.
Auch am Rathaus stellen sich tiefer gehende Untergrund-Gefühle ein, wie man sie aus London oder Paris kennt. Auch der typische, an Kohle erinnernde Geruch ist derselbe – er kommt von herumfliegendem Graphitstaub. Das Graphit, reiner Kohlenstoff, klebt auf den Stromabnehmern und soll sich dort sogar abnutzen.
Mit Schaffnerkelle
London und Paris – nichts weniger als den großen Wurf hatten die Planer der U 35 vor Augen, als es um den Bau der Stadtbahnstrecke ging. 30 Jahre ist das her, am 2. September 1989 wurden die Linie und die Bahnhöfe feierlich eröffnet. OB Heinz Eikelbeck gab mit der Schaffnerkelle das Abfahrtssignal, die erste Bahn lenkte Loki Schmidt, Gattin von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, durchs Tunnelsystem. Bochum schien den Anschluss an die weite Welt gefunden zu haben.
Das Interesse war riesig. An jenem Eröffnungs-Samstag strömten 120.000 Schaulustige in die nagelneuen Stationen.
Neues Zeitalter begann
Und nicht wenige mögen gedacht haben, dass sich die neue Strecke nun tatsächlich wie eine „richtige“ U-Bahn anfühlt. Zwar hatte bereits zehn Jahre zuvor, 1979, auch hierzulande das Stadtbahnzeitalter begonnen. Aber man war dann doch leicht enttäuscht, als klar wurde, dass die groß angekündigte „Stadtbahn“ nichts anderes war als die gute, alte Straßenbahn, die selbstverständlich oberirdisch weiterfuhr. Nur dass sie jetzt zeitweilig auch unter der Erde dahin wackelte.
Schneller nach Herne
Ganz anders die U 35. In rapiden 20 Minuten erreicht sie vom Hauptbahnhof aus die nördlichen Bezirke der Nachbarstadt Herne, und wenn man zurückdenkt, wirkte alles vor 30 Jahren top-modern, um nicht zu sagen: futuristisch.
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Die kastenförmigen Wagen erinnerten an Bilder, wie man sie aus den U-Bahn-Anlagen in Berlin oder Wien im Kopf hatte. Dazu die schmalen Bahnsteige und der „Röhrencharakter“ – das hatte ‘was.
Abwechslungsreich gestaltet
Richtig ‘was her machten auch die Stationen, die abwechslungsreich und aufs jeweilige Ausstiegsziel hin eingerichtet worden waren. Die Bahnhöfe Bergbaumuseum, Feldsieper Straße und zumal „Zeche Constantin“ sind bis heute etwas Besonderes. Sie wurden mit Augenmaß und Sinn für bauliche Details gestaltet, am Bergbaumuseum strahlt das Gewölbe Untertage-Stimmung aus, die Backsteinfronten an der „Feldsieper“ gemahnen an die Fassaden des alten Arbeiterviertels „Speckschweiz“ obendrüber, und „Constantin“ hielt auf imposanten Schwarzweiß-Tafeln die Erinnerung an Großschachtanlage aufrecht.
Kosten wurden geteilt
960 Millionen DM kostete der Abschnitt zwischen Bochum (713 Millionen DM) und Herne, zu 60 Prozent finanziert vom Bund, zu 30 Prozent vom Land und zu zehn Prozent von den beiden Städten.
Nach drei Jahrzehnten ist die U-Bahn, die im November 1993 bis zur Hustadt verlängert wurde und seit den 2000er Jahren unter dem Qualitätssiegel „Campus-Linie“ ihre Runden dreht, ganz normaler Alltag im lokalen Personennahverkehr. 24 Stationen hat die rund zehn Kilometer lange Linie, die letzte unterirdische Station in Richtung Hustadt ist „Waldring“, ab der Station „Wasserstraße“ fährt die Bahn oberirdisch in Mittellage der Uni-Straße bis Querenburg.
Ende in Querenburg
Hier ist die Endstelle. Anfangs war geplant, die Stadtbahn bis Witten zu verlängern; von Herne aus sollte die U-Bahn in Richtung Norden bis Recklinghausen ausgebaut werden: Pläne von gestern für ein Morgen, dessen Zukunft nie eingetroffen ist.
Mit 85.000 Fahrgästen täglich ist die U 35 die meistbenutzte Linie der Bogestra, sie ist schnell und bequem; vor allem fährt sie oft. Das macht ja gerade einen attraktiven ÖPNV aus: Dass man sich, egal wo und wann, an den Bahnsteig stellen kann, ohne den Fahrplan auswendig gelernt haben zu müssen. In der Gewissheit, dass der nächste Zug spätestens in 5 oder 10 Minuten kommt.
Warum das bis heute nicht überall und auf allen Linien möglich ist, ist eines der Rätsel des öffentlichen Personennahverkehrs in Revier, dessen Lösung wir nicht kennen.