Bochum. Die Leih-E-Scooter sind in Bochum wie die Pilze aus dem Boden geschossen. Wir haben einen getestet. Es macht Spaß, aber es ist tückisch.
So ein Leih-E-Scooter ist zurzeit in Bochum ein echter Hingucker. Die Blicke vieler anderer Verkehrsteilnehmer fliegen auf mich, denn ich bin mit diesem modernen Mini-Fahrzeug ein absoluter Neuling im dichten Bochumer Straßenverkehr. Die einen schauen argwöhnisch, die anderen mit heiterer Neugier. Hinein in den WAZ-Test, hinein ins Vergnügen!
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Auf dem GPS-fähigen Smartphone und der App des E-Scooter-Verleihers „Circ“ aus Berlin habe ich gesehen, wo gerade ein Fahrzeug einsatzbereit geparkt ist: am Südring/Ecke Viktoriastraße. Ein paarmal muss ich mit dem Finger auf meinem Handy tippen, um mich anzumelden und den Bezahlvorgang zu aktivieren, und schon steht der batteriebetriebene Tretroller zu meinen Diensten.
Höchsttempo liegt bei 20 Stundenkilometern
Wer nicht sehr Handy-und PC-erfahren ist, kann da aber Probleme bekommen. Zwei, dreimal mit dem Fuß anstoßen, dann mit dem Daumen einen Knopf am Lenker drücken und ab geht die Post. Der Elektro-Motor beschleunigt mich auf 20 km/h. Mit zwei Handbremsen rechts und links kann ich das Tempo steuern.
Ist schon irgendwie spaßig, als Exot über den Asphalt zu gleiten inmitten all der Platzhirsche – den Autos, den Lastern, der Busse und Motorräder. Endlich mal was Neues auf Bochums Straßen! Das Gesetz bescheinigt mir zwar völlige Gleichberechtigung, aber in der Praxis gilt auch das Recht des Stärkeren. Deshalb setze ich wie auf meinem Fahrrad auch einen Helm auf, obwohl der nicht Pflicht ist. Denn fahren muss ich vor allem auf der Straße. In der Hochrisikozone.
Meist musst der E-Scooter auf der Straße fahren
Gehwege und Fußgängerzonen sind tabu (15 Euro Verwarngeld), auch dann, wenn sie für Radfahrer freigegeben sind. Sind ausgewiesene Radwege und Radstreifen vorhanden, muss ich sie benutzen. Wenn nicht, muss ich mich auf die Fahrbahn zu den Autos und Schwerlastern wagen.
Aber wo immer ich fahre: Fast überall ruckelt es mächtig. Der Scooter hat zwar eine Federgabel, aber die ist so hart eingestellt, dass ihre Dämpfung kaum bemerkbar ist. Weil gleichzeitig die Fahrbahnbeläge am Straßenrand voller kleiner Kuhlen, Risse und Gullys sind, muss ich den Lenker äußerst fest halten, sonst fliegt er mir weg. Mein ganzer Körper samt Brille vibriert, als stünde ich unter Starkstrom. Beispiel Rottstraße: Die ist mit einem E-Scooter eine noch größere Rumpelstrecke als mit dem Auto.
Wie ein Strichmännchen unter lauter Bodybuildern
Heikel wird es erst recht, wenn ich an einer Kreuzung abbiegen muss. Dann muss ich eine Hand loslassen für das Handzeichen. Diese Kunst ist überlebenswichtig: Mitten auf einer stark befahrenen Hauptstraße wie dem teilweise dreispurigen Südring mit einer Hand die Balance halten und gleichzeitig auf den bedrohlichen Verkehr vor, neben und hinter mir achten. Als Scooter-Fahrer fühle ich mich wie ein Strichmännchen unter lauter Bodybuildern.
In Nebenstraßen ist das Fahren deutlich komfortabler und sicherer. Schön leise bringt mich der Tretroller von A nach B.
Polizei: „E-Scooter sind kein Spielzeug“
„E-Scooter sind kein Spielzeug“, sagt die Bochumer Polizei. Damit könne man sich selbst und andere gefährden. Die Polizei empfiehlt, am Anfang das Fahren in einer ruhigen Verkehrszone zu üben.
Dennoch sagt die Polizei: „Wir stehen der Sache positiv gegenüber.“
In Bochum auffällig wurden bereits eine Unfallflucht eines unbekannten E-Scooter-Fahrers (geparktes Auto beschädigt) sowie ein E-Scooter-Fahrer, der unter Alkoholeinfluss fuhr.
Weil dort aber alle Straßenränder mit Autos zugeparkt sind, halte ich einen Meter Sicherheitsabstand für den Fall, dass plötzlich eine Autotür aufgeht. Damit blockiere ich den schnelleren Kraftverkehr hinter mir. Gehupt hat trotzdem niemand. Danke! Als Fahrradfahrer kenne ich das anders.
Abgestellt werden darf das Fahrzeug nur in der Innenstadt
Weit reicht mein Radius nicht. Fahren kann ich zwar auch außerhalb der Innenstadt. Aber abstellen und damit den Mietvorgang beenden darf ich den Roller nur innerhalb der City. In ihm ist ein GPS-Locator versteckt, mit dem die Fahrzeuge verfolgt werden können.
Unterwegs treffe ich einen anderen E-Scooter. Er fährt mit einem Fahrzeug des Circ-Konkurrenten „Tier“. Für ihn ist es eine Alternative zu Bus und Bahn. Obwohl es ungefähr genau so teuer ist, wie er sagt. Ich selbst habe für meinen Ausflug 9,25 Euro bezahlt. Für 55 Minuten. Am Husemannplatz habe ich das Ding einfach wieder abgestellt. Ein Klick auf mein Handy und das Zweirad ist abgemeldet. Wer es ohne Anmeldung wieder anschiebt, hört sofort ein Warnsignal.
Schöne neue Nahverkehrswelt: Die Bochumer werden sich an die E-Scooter in der City erst noch gewöhnen müssen.