Bochum. Vor 50 Jahren ging im US-Staat New York das legendäre Woodstock-Festival über die Bühne. Ein Event, das noch Jahre später bis Bochum ausstrahlte.
„Woodstock“! – Seit Schülertagen ist das bei mir ein positiv besetzter Begriff. Der mehrfache Besuch des überlangen Konzertfilms (186 Minuten, damals im „Union“-Kino) oder die „Woodstock“-LPs gehören zu den Fixpunkten der Erinnerung. Ein Blick aus Bochumer Sicht auf das Pop-Phänomen, das sich an diesem Wochenende zum 50. Male rundet.
Woodstock“-LPs im ALRO-Plattenladen
Über das Woodstock-Festival
Das „Woodstock Music & Art Fair – 3 Days of Peace & Music“ ist das bekannteste Rockmusik-Festival der Welt. Das Open-Air-Spektakel fand vom 15. bis 17. August 1969 statt, an diesem Wochenende vor 50 Jahren. „Woodstock“ gilt als Höhe- und Endpunkt der Hippie-Bewegung in den USA.
Schauplatz waren Weiden eines Milchbauern nahe der Kleinstadt Bethel im US-Bundesstaat New York, etwa 70 Kilometer südwestlich vom namensgebenden und ursprünglich vorgesehen Veranstaltungsort in Woodstock.
Vor geschätzten 400.000 Besuchern traten 32 Bands und Solokünstler aus, darunter Stars wie Jimi Hendrix, Cannes Heat und Crosby, Stills, Nash & Young.
Fangen wir an mit den beiden „Woodstock“-Alben, einmal das sehr bekannte mit dem Hippie-Pärchen auf dem Cover, erschienen 1970, zum anderen das zweite (1971), welches spielende Kinder rund um ein Schlagzeug auf der Bühne zeigt. Beide Scheiben waren über Jahrzehnte in jedem gut sortierten Plattenladen zu haben. „,Woodstock’ haben wir durchgehend gut verkauft“, erinnerte sich später Alfred Roth (ALRO), „aber Roy Black auch.“ Gut möglich, aber sicher war eine Single von Roy („Dein schönstes Geschenk“) in jedem Fall günstiger als die „Woodstock“-Triple-LP, für die 39,99 DM hingeblättert werden musste – viel Geld für Schüler mit knappen Taschengeld, zumal, wenn man schon rauchte.
Ich wollte die Platten immer haben, aber es scheiterte halt am Preis. Mein Glück war, dass ich mir vom Konfirmationsgeld 1974 ein Tonbandgerät kaufen durfte (Telefunken Magnetophon 430). Und dass mein großer Cousin Ulli die LPs hatte. Also rückte ich eines Tages mit dem schweren Tonbandkasten zu ihm aus, um die Woodstock-3er-LP und die Doppel-LP auf Band aufzunehmen.
Lange Laufzeit
Das klappte auch ganz gut, aber es dauerte: Die Spielzeit beläuft sich auf 90:24 bzw. 85:08 Minuten. Man brauchte ein komplettes 18-Zoll-BASF-Band, um alles drauf zu kriegen!
Mein persönlicher „Woodstock“-Favorit war schnell ausgemacht: „Soul Sacrifice“ von Santana, jene treibende Latinrock-Nummer, mit der die Band 1969 schlagartig berühmt geworden war. Dass ich den Gitarristen und Bandleader Carlos Santana einmal persönlich treffen würde, hätte ich mir in jenen fernen Jugendtagen nie träumen lassen. Und doch geschah es. Am 1. Juli 2007 im Ruhrcongress war es soweit!
„Samba Pa Ti“ durfte nicht fehlen
Damals kam es bei einem von Peter Maffay aufgezogenen Benefiz-Konzert für die Bochumer Initiative „Herausforderung Zukunft“ zur kleinen musikalischen Sensation, denn neben Wolfgang Niedecken (BAP), Peter Maffay und Yusuf Islam (alias Cat Stevens) enterte eben auch besagter Carlos S. die Bühne. Mein „Woodstock“-Held in Bochum, mit dem der WAZ-Reporter ein paar Worte wechseln durfte! Der Set lief dann ziemlich routiniert ab, natürlich durfte „Samba Pa Ti“ nicht fehlen, aber das flackernde Feuer von „Soul Sacrifice“ war erloschen. Aber Santana war inzwischen auch schon 59.
Einer, der zumal in dem „Woodstock“-Konzertfilm bleibenden Eindruck hinterließ, war Joe Cocker. Der singende Klempner aus Bochums Partnerstadt Sheffield wurde mit seinem vulkanischen Auftritt mit dem Beatles-Oldie „With A Little Help From My Friends“ unsterblich.
Live und in Farbe
Dass er es immer noch drauf hatte, bewies Joe über 40 Jahre später am Kemnader See. 2013 sorgte er für rauschhafte Minuten, als er live und in Farbe beim Zeltfestival die Herzen und Seelen von 5.000 Fans im Sparkassen-Zelt beglückte. Die Tickets kosteten stolze 61 Euro, also das Dreifache dessen, was einst für die „Woodstock“-3er-LP hingeblättert werden musste. Dennoch verneigte sich das Zeltfestival Ruhr, übrigens schon zum zweiten Mal nach 2011, vor einem Großen der Rockgeschichte, der die Bühne des Lebens am 22. Dezember 2014 für immer verließ.
Nicht zu verachten
Was nicht vergessen werden darf: Fünf Jahre nach den legendären „Three Days of Peace & Music“ auf einem Acker im US-Bundesstaat New York erlebten Bochums Musik-Freaks beim „Open Air Hot Summer Day“ am 27. Juli 1974 in den Ruhrwiesen an der Kemnader Brücke ihr eigenes Woodstock im Kleinformat. Zwar spielten nicht Sha Na Na, Arlo Guthrie und Ten Years After, aber Hardin & York, UFO, Grobschnitt und Earth and Fire („Memories“) waren auch nicht zu verachten.
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Es war ein singuläres Freiluft-Ereignis (Eintritt 10 DM, VVK 5 DM), von dem alle, die dabei waren, heute noch als „unser Bochumer Woodstock“ schwärmen. „Es war voll, es war chaotisch, es gab keine Toiletten, die Leute pinkelten in die Ruhr“, erinnert sich Ulli Engelbrecht. „Aber die Musik war super!“.
Top-Acts kamen nicht
Der Autor diverser Bücher über Rockmusik war als 17-Jähriger mit „Matte“ und in coolen, hippiesken Klamotten wie zig-tausend Andere die Kemnader Straße hinab gepilgert. Der Sommertag inne Ruhrwiesen ist bei den Rockfans heute noch präsent – auch, weil die angekündigten Top-Acts Savoy Brown und Thin Lizzy letztlich gar nicht auftraten.