Essen. Für das Album „IV“ trommelte Carlos Santana seine Band von 1971 wieder zusammen. Auf der Platte zitiert er sich selbst – und liefert starkes Material.
Kann man sich eigentlich wegen Selbstplagiats verklagen? Wenn das möglich wäre, hätte Santana schon gewonnen. Und verloren. Er stünde ja schließlich auf beiden Seiten der Anklagebank. Was der Anlass sein könnte? Na, dass auf seinem neuen Album „Santana IV“ der recht hinreißende Song „Anywhere You Want To Go“ mit seinem sexy Latino-Anmachergestus und den Cha-Cha-Cha-Rhythmen so verdächtig viele Elemente des angejahrten Überhits „Oye Como Va“ enthält. Die geschwisterliche Verwandtschaft ist so stark, dass Santana und seine Mitmusiker das auch gar nicht leugnen. Aus gutem Grund.
Denn für „IV“ hat der 68-jährige Altmeister der Latino-Gitarre, dessen unverkennbarer Sound sich in die Jahrbücher der Popgeschichte graviert hat, dieselbe Truppe zusammengetrommelt wie auf dem Album „III“ – und das ist immerhin 45 Jahre alt. Noch erstaunlicher: Die Altherrenmannschaft entwickelt eine Energie, Spielfreude und Eingängigkeit, wie man sie in dieser Form zuletzt 1999 auf dem Hitalbum „Supernatural“ gehört hat.
Das beginnt mit den Afro-Rhythmen des ersten Songs „Yambu“, setzt sich fort über die beiden Gastgesänge von Ronald Isley von den Isley Brothers. Und wer dann noch Sehnsucht nach einem Welthit wie „Black Magic Woman“ bekommt, sollte sich die kitschig weinenden, aber dennoch ergreifenden Gitarren-Akkorde auf „Sueños“ anhören.
Stärkstes Material seit zig Jahren
Wenn dieses Album kein erneuter Welthit wird, ist es jedenfalls nicht Carlos Santanas Schuld. Er liefert zwar absolut nichts Neues, aber unbestreitbar sein stärkstes Material seit zig Jahren. Wer ihn mag, wird’s mögen.
Santana: IV (Santana IV/Thirty Tigers/Alive)