Bochum-Langendreer. Die Skulpturengruppe am „Stern“ entstand vor 30 Jahren. Jetzt stellt sich heraus, dass sie falsch herum aufgestellt wurde. Gibt es eine Lösung?
An der Ecke Alte Bahnhofstraße/Hohe Eiche/Wartburgstraße ist es nicht zu übersehen: das Doppelkunstwerk von Horst Dieter Gölzenleuchter und Paul Mangen, das im Herbst 1989 dort am „Stern“ am Alten Bahnhof einzog. Jetzt, 30 Jahre später, kommt heraus: Die Plastik wurde falsch herum aufgestellt!
Was sich wie eine Kunst-Posse anhört, hat allerdings nachvollziehbare Gründe. Denn so, wie es ist, war das Ganze nicht geplant. Die beiden Künstler hatten ganz anderes im Sinn. Aber der Reihe nach.
Gemeinsame Werkstatt
Den „Stern“ kennt in Langendreer jeder, die Ecke an der Alten Bahnhofstraße hat ihren Namen vom Zulauf mehrerer Straßen auf eine Art Platz. Ältere erinnern sich, wie der „Stern“ früher aussah: ein mit Gebüsch zugewachsenes Areal, davor die Bushaltestelle des 364er Richtung Papenholz, beim Warten fiel der Blick auf das Schreibwarengeschäft Lohfink gegenüber. 1989 reiften im Bezirk Ost Pläne, die als unschön empfundene städtebauliche Situation verändern zu wollen. Das Grün wurde gerodet, der Platz am „Stern“ gepflastert, Freiraum für Passanten entstand. Ein Kunstwerk sollte die neue Anlage zusätzlich aufwerten.
Zur Person
Paul Mangen (*1948) ist gebürtiger Luxemburger und lebt seit über 40 Jahren in Bochum. Anfangs lag sein künstlerischer Schwerpunkt auf der informellen Malerei, was ihn nicht daran hinderte, sich auch der gegenständlichen Malerei, der Bildhauerei und der Fotografie zu widmen. Ein Multitalent.
Horst Dieter „Oskar“ Gölzenleuchter (*1944) ist Maler, Grafiker und Autor und bekannt für seine zum Teil großformatigen Holzschnitte. Seine Motive sind meist politischer und gesellschaftlicher Art, er appelliert an die Gesellschaft, thematisiert soziale Ungerechtigkeit und wirbt für ein friedvolles Zusammenleben der Kulturen.
Nun kommen „Oskar“ Gölzenleuchter und Paul Mangen ins Spiel. Die beiden führten in den 80er Jahren eine gemeinsame Werkstatt in einer alten Backstube An der Malstatt; sie waren als Langendreerer Künstler bekannt. Also wurden sie von der Bezirksverwaltung Ost angesprochen, ob sie nicht ein Kunstwerk für den „Stern“ schaffen könnten. „Wir waren überrascht“, erinnert sich Gölzenleuchter, „so etwas hatten wir noch nie gemacht.“ Dennoch sagten Mangen und er zu.
In einem Block gearbeitet
Es reifte die Idee, der Ortsgeschichte in dem Kunstwerk Rechnung zu tragen. Langendreer, das stand einst für Eisenbahn, Industrie, Bergbau. So arrangierte Gölzenleuchter aus einem Eisenbahnrad mit Schienen, die aus den Dortmunder Hoesch-Stahlwerken stammten, und einem in Stahlblech geschnittenen Profil eines Kumpels eine Reminiszenz an die Montanzeit. Mangen entwarf korrespondierend eine Figurengruppe, die, in einem Block gearbeitet, eine Familie darstellt. „Ich hatte mir gedacht, die Gruppe sollte entlang des zum Ensemble von Gölzenleuchter führenden Schienenstücks in die Vergangenheit und auf der anderen Seite in die Zukunft schauen“, sagt Paul Mangen.
Vergangenheit und Zukunft
So schuf er den Familienvater, der sich nachdenklich das Kinn reibt (Blick in die Vergangenheit), und seine Frau und die Kinder, die, zur anderen Seite hin, vom Kunstwerk wegziehen (Streben in die Zukunft). Blöd nur, dass die Plastik um 180° verdreht aufgestellt wurde – so laufen Mutter und Tochter in Richtung „Vergangenheit“ und der fragende Mann blickt in die „Zukunft“; im konkreten Fall auf das Schaufenster einer Apotheke.
Wie das passieren konnte, wissen Mangen und Gölzenleuchter bis heute nicht. Allerdings waren beide bei der Aufstellung ihrer Plastiken auch gar nicht vor Ort. „Ich schätze, die Arbeiter haben meine Figurengruppe einfach so aufgestellt, wie sie dachten, dass es richtig wäre“, vermutet Mangen. Eine Standortskizze sei nicht gefertigt worden.
Öfter darauf hingewiesen
Als die Doppelplastik im Herbst 1989 mit einem kleinen Bürgerfest eingeweiht wurde, war es zu spät. „Ich habe auch später immer wieder auf die falsche Aufstellung hingewiesen“, sagt Mangen. Es geschah – nichts. Wohl einfach deswegen, weil ein Umsetzen zu teuer gekommen wäre.
Fragen an die Verwaltung
Nun tut sich möglicherweise doch ‘was. Der Fall ist in der Bezirksvertretung Ost aufgeschlagen, wo SPD und Grüne eine entsprechende Anfrage gestellt haben, die nach der Sommerpause in die Beratung kommen wird. Zu Recht, denn das Doppelkunstwerk ist keine Privatangelegenheit, sondern wurde mit Mitteln des Bezirks finanziert und gehört als Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Bochum. Weil aktuell Überlegungen kursieren, den in die Jahre gekommenen Platz am „Stern“ umzubauen, rückt die Koalition das Doppelkunstwerk in den Fokus. Kann die fehlerhafte Aufstellung mit der Umgestaltung des Platzes korrigiert werden? Welche Kosten würden dadurch entstehen?, lauten die Fragen der Politiker an die Verwaltung.
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Sollte die Plastik tatsächlich umgehoben werden, wäre das ganz im Sinne der Künstler, die sich dazu auch gleich eine Reinigung ihrer beklebten und beschmierten Objekte wünschen. Sollte es dazu kommen, steht schon mal eines fest: Dieses Mal werden Horst Dieter Gölzenleuchter und Paul Mangen auf jeden Fall persönlich vor Ort sein.