Bochum. . Regisseurin Selina Girschweiler zeigt den Klassiker am Prinz-Regent-Theater. Dabei setzt sie auf Musik, starke Darsteller – und zündende Ideen.
„Aber das ist ja nicht bei uns. Aber das ist ja nicht bei uns.“ Immer wieder wiederholt Gottlieb Biedermann diese Zeilen, Sirenen ertönen im Hintergrund, die Musik schwillt an, Rauch vernebelt die Sicht und dann wird es dunkel.
Das ist das Ende des Stücks „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, das am Prinz-Regent-Theater in der Regie von Selina Girschweiler seine Premiere feierte. Die junge Regisseurin, die im März ihr Regie-Studium an der Folkwang Universität der Künste abschließt, ist Schweizerin. Max Frisch, der Autor des Stücks, ist ebenfalls Schweizer. Und während ihres Studiums hospitierte Girschweiler bei ihrem berühmten Landsmann, dem Regisseur Christoph Marthaler. Alles Zufall? Man weiß es nicht, ist auch egal.
Musik wird zum wichtigen Teil der Inszenierung
Neben derselben Staatsangehörigkeit scheint sie zumindest noch eine weitere Gemeinsamkeit mit Marthaler zu haben: die Liebe zur Musik, die auch bei ihr einen großen und wichtigen Bestandteil der Inszenierung ausmacht. Für diese ist Linda Bockholt zuständig, die zugleich die Rolle der Babette spielt, die Ehefrau von Gottlieb Biedermann.
Und so bewegt sich Bockholt zwischen Gitarre, Drumset und Spielfläche hin und her und erledigt beide Aufgaben mit Bravour. Ihre Musik entsteht quasi live, indem sie kurze Melodieschnipsel auf der Gitarre oder dem Xylophon einspielt und diese dann in „Loops“ weiter schwingen lässt.
Kunstvolle Installation der Zündschnüre
Das geschieht jeweils thematisch passend zu den Szenen und funktioniert hervorragend. Aber auch viele andere Ideen überraschen: so die kunstvolle Installation der Zündschnüre in der Wohnung der Biedermanns oder die ebenso einfache wie verblüffende Aufteilung der Bühne in Wohnung und Dachboden, die durch einen Gang einmal quer durch das Theater festgelegt wird.
Brandstifterpärchen mit verschlagener Klugheit
Helge Salnikau als neurotischer, personifizierter Saubermann mit großer Geste und steinernem Herzen ist zu jeder Zeit überzeugend. Wunderbar ebenfalls das „Duo infernale“: das Brandstifterpärchen Niklas Herzberg und Alessandra Wiedemann. Vor allem letztere als Ex-Knasti Wilhelm Maria Eisenring amüsiert durch das zupackende Wesen und die bös-listige Klugheit, die sie ihrer Figur verleiht. Auch der Einfall, den Chor per Videoeinspieler in die Inszenierung mit einzubauen, kann man als geglückt bezeichnen.
Das Stück, das zumeist als Abrechnung mit der Leichtgläubigkeit des Bürgertums gegenüber dem Nationalsozialismus aber auch dem Kommunismus gedeutet wurde, ist heute aktueller denn je. Das beweist Selina Girschweilers zeitgemäße und originelle Adaption allemal. Nebenbei macht das Ganze auch noch richtig Spaß.
Wieder am 30. März sowie am 18. und 26. April. Karten (16, ermäßigt 8 Euro) unter 0234 / 77 11 17.