Bochum. . Bochums Innenstadt wird sich bis 2025 stark verändern. Investoren, Stadt und Land wollen 500 Millionen Euro investieren. Nicht allen gefällt das.
Grob geschätzt eine halbe Milliarde Euro wollen private Investoren, Stadt und Land bis Mitte der 2020er Jahre in der Bochumer Innenstadt verbauen. So sagt es die Stadt. Die Pläne erhalten aber nicht nur Beifall, sondern rufen Widerstand hervor und bieten Anlass für Diskussionen. Das WAZ-Forum Politik in und in Kooperation mit der Volkshochschule (siehe unten) will am 21. Februar interessierte Leserinnen und Leser informieren.
Drei Projekte stehen im Mittelpunkt vieler Aktivitäten: der Bau des Geschäfts- und Büroviertels Viktoria-Karree auf dem ehemaligen Justizgelände zwischen Westring und Viktoriastraße, der Umbau des Telekomblocks gegenüber dem Rathaus zu einem Haus des Wissens und der Abriss des Bildungs- und Verwaltungszentrums, um hinter dem Rathaus Raum zu schaffen für innenstadtnahe Wohnungen.
„Stadtplanung in deutschen Innenstädten war jahrzehntelang vom Einzelhandel getrieben“, sagt Stadtbaurat Markus Bradtke. In einer digitalisierten Welt sei das nicht mehr vertretbar. „Wir müssen die Nutzungsmischung anders begreifen. Wir müssen anerkennen, dass der Einzelhandel eine wichtige, aber nicht mehr die einzig dominante Rolle spielt.“
Bochums Zentrum verfüge über eine nahezu ideale Größe, um ein Zentrum zu bleiben, in dem man einkaufen und sich treffen könne, aber zukünftig eben auch verstärkt arbeiten und wohnen. Eine moderne Verwaltung mit ihren Dienstleistungen sei ebenso unverzichtbar. Bradtke: „Wir müssen neue Qualitäten entwickeln.“
Platz für Nobelpreisträger
Die Verwaltung bereitet derzeit einen Architektenwettbewerb für das Haus des Wissens vor. Bis Ostern sollen Vorgaben definiert sein, Ende des Jahres ein Sieger gekürt werden.
Die Aufgabe ist komplex. Eine Markthalle, Volkshochschule und Bücherei sollen im Telekomblock ein Zuhause finden. Außerdem soll Raum geschaffen werden, „um universitäres Leben in die Öffentlichkeit zu bringen“, so Bradtke.
„Wo findet in Bochum bislang öffentlich intellektueller Austausch statt? Wenn ein Bochumer einen Nobelpreis gewinnt, wo wird er vorgestellt?“ Auch darauf müsse der Wettbewerb Antworten geben. „Es reicht nicht aus, wenn das Haus des Wissens am Ende vier Nutzer hat, die sich ein Klo und eine Garderobe teilen.“
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In noch weiterer Ferne liegen der beschlossene Abriss des BVZ und der geplante Verkauf und mögliche Abriss der Gebäude von Musikschule und Gesundheitsamt. „Frühestens 2023“ sei daran zu denken, so Bradtke. Die Stadt möchte für die Flächen Investoren suchen, die dort in erster Linie Wohnungen bauen. „Der Erhalt des Appolonia-Pfaus-Parks aber ist gesetzt“, sagt Bradtke. In ersten Plänen war ein Zipfel der Grünfläche ebenfalls zur Bebauung vorgesehen.
Die Pläne der Stadt, insbesondere die für das BVZ-Umfeld, rufen Widerstand hervor. Das Netzwerk „Stadt für alle“ sammelte im vergangenen Jahr knapp 3000 Unterschriften von Bürgern, die sich gegen die Privatisierung städtischer Gelder und Flächen wehren.
Studenten entwickeln Vision
Auch die Anmietung von Büros „zu völlig überteuerten Mieten“ im Viktoria-Karree und der dazu gehörende Verkauf des Grundstücks stehen daher in der Kritik. „Das aber ist wohl gelaufen“, sagt Sprecher Rainer Midlaszewski. „Wir erwarten aber, dass die Flächen hinter dem Rathaus nicht auch an einen privaten Investor verhökert werden, um Haushaltslücken zu schließen.“ Sollten dort Wohnungen gebaut werden, müssten diese zu günstigen Mieten zu haben sein. Das Netzwerk will zusammen mit Architektur-Studenten noch Anfang dieses Jahres eine eigene Vision für das Areal entwickeln.
Leserfragen sind ausdrücklich erwünscht
Volkshochschule (VHS) und WAZ-Redaktion starten 2019 ein neues Veranstaltungsformat. Beim WAZ-Forum Politik sollen Leser ins Gespräch kommen mit Verantwortlichen und Experten, die Weichen für die Zukunft unserer Stadt stellen oder eine Meinung dazu haben. Es gibt keine langen Reden oder Präsentationen, die Beteiligten tauschen Argumente aus, das Publikum redet mit. WAZ-Redaktionsleiter Thomas Schmitt moderiert. Zum Auftakt geht es am Donnerstag, 21. Februar, 18 Uhr, um die Entwicklung der Innenstadt (siehe oben). Als Gäste werden erwartet:
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD)
Wer könnte die Pläne und die damit verbundene Strategie der Stadtverwaltung besser erklären als ihr oberster Vertreter? Das dachte sich wohl auch Thomas Eiskirch, als er mitteilen ließ, dass er der Einladung von VHS und WAZ folgen werde. Angefragt hatten wir einen Vertreter der Stadt, der kompetent die städtischen Ideen für die Innenstadt vorstellen und auf Kritik eingehen kann.
Raumplanerin und Projektmanagerin Barbara Thüer
Die Leiterin der Geschäftsstelle des „Netzwerkes Innenstadt NRW“ kennt sich aus im Land. Dem Netzwerk gehören 96 Klein-, Mittel- und Großstädte an. Sie alle stehen vor ähnlichen Aufgaben wie Bochum: Ihre Innenstadt bei sich verändernden sozialen, wirtschaftlichen und demografischen Bedingungen neu aufzustellen und für den jeweiligen Standort maßgeschneiderte Lösungen zu finden.
Sozialwissenschaftler und Stadtplaner León Díaz-Bone
Der gebürtige Bochumer arbeitet derzeit in Barcelona. Sein Büro berät Verwaltungen und Regierungen und private Akteure auf der ganzen Welt zu urbanen Themen. Díaz-Bone hat in Maastricht, San Diego und London studiert und verfolgt Entwicklungen in vielen Metropolen der Welt. Das Thema Smart City ist eines von mehreren, an dem er mit Kollegen im Bereich zukunftsorientierter Städte arbeitet.
Andor Baltz, stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Bochumer City (IBO)
Bochums Kaufleute begrüßen die Pläne der Stadt. Weil erstens das gefürchtete Einkaufszentrum so nicht kommen wird und zweitens eine gesamtstädtische Strategie auf dem Tisch liegt. Beifall gibt es für die Idee, im Rathausumfeld Wohnraum zu schaffen. Kritik gibt es aber auch: Weil seit Jahren nichts passiere, herrsche an vielen Stellen mittlerweile Stillstand.
Rainer Midlaszewski, Sprecher des Bürger-Netzwerkes „Stadt für alle“
Das Netzwerk kritisiert die Pläne der Stadt. In kürzester Zeit sammelte die Initiative 2740 Unterschriften, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Insbesondere wünschen sich Midlaszewski und andere, dass es nach dem geplanten Abriss nicht zu einer Privatisierung städtischer Flächen kommt. Musikschule und Gesundheitsamt sollen als Gebäude erhalten werden.